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Nahrungsbilanz - Food Balance

Die bekannteste und wichtigste indirekte Methode sind die Nahrungsbilanzen ("Food Balance Sheets"). Sie drücken die für den menschlichen Verzehr statistisch verfügbare Nahrungsmittelmenge der Bevölkerung aus. Zur Ermittlung der Nahrungsbilanzen werden die statistischen Daten der Nahrungsmittelproduktion, des Handels, der Verarbeitung und der Verwendung eines Landes für den betreffenden Erhebungszeitraum zusammengetragen. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch ergibt sich aus der Division der Nettoversorgung durch die Bevölkerungszahl des betreffenden Gebietes.

Aus den Daten der Nahrungsbilanz können interessante Rückschlüsse über die Versorgungslage der betreffenden Personengruppe abgeleitet werden. So geben sie an, was statistisch zur Verfügung steht, und was maximal verzehrt werden könnte.  Aus den errechneten Lebensmittelmengen können unter Verwendung geeigneter Nährwerttabellen schließlich auch die verfügbaren Mengen an Nahrungsenergie und/oder Nährstoffen berechnet werden.
Die Erfahrungen zeigen, dass die mittels Nahrungsbilanzen gewonnenen Verbrauchswerte trotz vorgenommener Korrekturen meist höher sind als Vergleichsdaten. Nahrungsbilanzen finden vor allem Anwendung und Nutzen in ernährungspolitischen Bereichen. Die globalen Daten der Nahrungsbilanzen können mit ebensolchen aus anderen Lebensbereichen gegenübergestellt werden, z. B. Daten aus der Gesundheitsstatistik. So sind Nahrungsbilanzen auch in ernährungsepidemiologischer Forschung einzusetzen.

Die Bestimmung erfolgt für einen bestimmten Zeitraum (meist ein Jahr; international oft Erntejahr - von Juli bis Juni des folgenden Jahres).

Dazu werden verschiedene Daten zusammengetragen. Anhand der nachfolgenden Berechnungsformel wird die Nahrungsmittelbilanz ermittelt. Der Pro-Kopf-Verbrauch ergibt sich nach Division der Nettoversorgung durch die Bevölkerungszahl.

NV = (IP + I +/- V - S – P – SV – F – E) / B

NV = Nahrungsverbrauch pro Kopf

IP = inländische Nahrungsmittelproduktion (Agrarproduktion; Agrarstatistik)

I = Importe

V = Vorratssaldo

S = Saatgut

P = Umwandlung in andere Produkte (industrielle Verarbeitung; z.B. Biomasse -  nachwachsende Rohstoffe)

SV = Schwund u. Verderb (Abfall - auf allen Stufen der Nahrungskette)

F = Futtermittel (auch für Haustiere)

E = Export

B = Bevölkerungszahl

Die Nahrungsbilanzen gelten nur für Bevölkerungsggruppen, nicht individuell. Die Food Balance Daten sind in der Regel deutlich höher als aktuelle Verzehrsdaten (Chart . Food Balance vs Household Food Consumption - Food Policy Aug 1985, p.278f) (CHART)

Nahrungsbilanzen bieten den Vorteil, dass sie ein Gesamtbild der Nahrungsversorgung und Lebensmittelproduktion eines Landes liefern. Des weiteren ermöglichen sie Aussagen über allgemeine Nahrungsgewohnheiten einer Bevölkerung und lassen internationale Vergleiche zu. Dagegen sind Unterschiede innerhalb der Bevölkerungsgruppen nicht ersichtlich.Der statistische Pro-Kopf-Verbrauch liegt fast ohne Ausnahme höher, als der tatsächliche Verzehr (direkte Methoden).

Probleme der Food Balances - Produktionszahlen - (im Bereich Entwicklungsländer, Schwerpunkt Ostafrika)
Uganda - (Agrarfläche - Uganda-Beispiel) (Erträge/Yields-Chart) Marktfrüchte (cash crops) genauere Angaben, als Subsistenz (oder gar Sammelfrüchte) (Obst; wilde grüne Blätter - mchicha) ; Verlust-Zahlen unsicher; regionale Mißernten (wenig Ausgleich durch Binnen-Handel, viele Barieren); unvollständige Ernte z.B. von Reservefrucht (Cassava, die erst dann geerntet wird wenn Hauptprodukt nicht genuig liefert; Kochbananen). Unterschiedliche Erträge bei Misch-Anbau (mixed-cropping); vieles nur grobe Schätzungen; einzelne Ertragsmessungen und dann extrapoliert; Tierproduktion - z.B. Schätzung durch Fell-Verkraufszaheln; - Problem - Schlachausbeute-Faktoren aus Fallstudien)
Problem Fisch (kommerzielle Arten relativ gut); Problem Wildtiere (Jagd) (Uganda Schätzzahl 4% Abteil an Eiweiss-Versorgung); Eier - Zahl der Hühner - 100 Eier/Jahr bei der Hälfte der Hühner; 1 Ei = 30g)
Milch-Schätzung (Zahl der Kühe - Viehzählungen; 1,2 Millionen Kühe - daraus folgendes "Guestimate" 350 Tage Milhc ; 530 Tage Kalbungszeit; 1,5 Liter Milch pro Kuh; von Milchmenge - 55% trinken die Kälber.
Öl - aus Ölmühlen-Informationen; einheimisches Bier (Pombe) - reine Schätzung (Fallstudien-Erfahrungen)

(Lit.: J.H.Cleave: Food Consumption in Uganda. E.Afr.J.Rural Development 1: 70 (1968)
G.W.Gale: Food balance sheets for the African Populations of East Africa. E.Afr.Med.J. 37: 410 (1960)
A.F.Burgess; Calories and Proteins available from locals sources for Ugandan Africans in 1958 and 1959. E.Afr.Med.J. 39: 449 (1962)

Erfahrungen aus Industrienationen (Beispiel DDR - gute Beschreibung - durch G.Ulbricht; Pro-Kopf-Verbrauchs-Methode, Nahrung 23: 337 (1979) dort viele Beispiele wie
Fleisch (aus Schlachthofzahlen + Fleischbeschauer-Angaben - Hausschlachtungen Anteil 7%)
Fisch - Fischhandel + 3% von Angelvereinen
Ei - Marktaufkommen + 13% Haushühner (1kg Ei = 18 Eier)
Obst -  Marktaufkommen + Eigenversorgung (20-30%)

 

Handel (Verteilungszahlen) - Export; Import; Einlagerung (Stocks) (plus im Food Balance - heisst es wird mehr eingelagert) (siehe auch Agrarstatistik)

Verbleib der Nahrung:
Tierfutter; Saatgut; industrielle Verarbeitung; Abfall-Verluste (sind meist reine Abschätzungen - z.B. für Ostafrika - Mais, Hirse, Gemüse, Süßkartoffeln - -15%; Bananen, Yam, Erbsem, Fleisch -10%; Cassava -35%) (dazu noch Zubereitungs- und Kochverluste abschätzen; Mengen, und Nährstoffe; wie z.B. Verluste an BVitaminen ca 10-30%, oder bei Vitamin C bis zu 605). (Ausbeute-Faktoren - Bognar - BFE-Bericht)
Haushaltsangaben - Zugang zur Nahrung - Selbstanbau; Markt; Ausstattung der Küche; Küchengeräte
Lebensmittel-Verarbeitung - als Nicht-Nahrungsmittel (dann fällt der Teil aus der Bilanz heraus); wenn jedoch in andere Lebensmittel verarbeitet - dann tritt es dort wieder auf; wie z.B. Eier in Teigwaren; Fette in Schokolade, Wurst; Milch in Sahne, Butter, Köse; uv.a.m.
Haltbarmachung  (siehe auch Agrarstatistik)

Berechnung der Nahrungsenergie - bzw. der Nährstoffe durch Nutzung von Nährwert-Tabellen (Food Composition Tables) (Menge mal Kennzahl xxx cal/100g LM)

Diese Gesamtmengen werden mit der Zahl der Menschen verglichen, die ernährt werden müssen (Produktion/Bevölkeruingszahl). Die Bevölkerungszahlen (Demographie) (Beispiel CHART Uganda) führen mittels der Bedarfszahlen (Recommended Dietary Allowances) zum Gesamtbedarf der Gesellschaft. (dazu werden Altersverteilung, Geschlechterverhältnis; Zahl der Schwangerschaften, Stillenden; Arbeitsschwere, Arbeitszeiten (Saison) Berufe, Körpergewicht/Größe, Klima benötigt) (darais Grundbedarf + Arbeitsbedarf) (so je nach Schätzung unterschiedliche Bedrafsmengen, Beispiel Uganda - Gale - 2140kcal/Person; Burgess - 2545) (Koeffizienten für Kinder);(CHART)

So wird aus der Verfügbarkeit (availability) an Nahrung und dem Bedarf der Selbstversorgungsgrad eines Landes bestimmt (Nahrungssicherheit).

Aus agrargeographischen Daten sind auch die regional unterschiedliche Nahrungsverfügbarkeiten ersichtlich (dies ist praktisch nur für LDCs zu beachten; in Industrieländern sorgt die Handelsstruktur für einen effektive gleichmßige Verteilung).Durch Kenntnisse der Rahmendaten - Einkommensverteilung usw - die Verteilungen in der Bevölkerung zu "erahnen". (CHART - Food System - Food Balance - Food Policy Aug 1985, p.278f)

Zeitreihen von Food Balances zeigen recht gut die Trends in der Nahrungsversorgung an (Fortschreibung - Entwicklung in Zukunft; Prognosen); doch Achtung die Berechnungsgrundlagen können verändert sein (dann "Sprünge" in den Zeitkurven) (Beispiel aus Ostafrika) (Tanzania 1968_1974; Uganda  1951-1959 - auch Regione n)  (aus "Grunddaten" auch regionale Verteilungen ablesbar - Beispiele - Uganda - MackenzieOLT)

Aus Food Balances sind die Hauptnährstoff-Relationen in einem Land ablesbar; z.B. Anteil an tierischem Eiweiß: Ermittlung von Kosten einer Ernährung - Kosten der "Nährstoffe" je nach Herkunft der Lebensmittel (z.B. pflanzliches Eiweiß vs tierisches Eiweiß).  Ernährungsplanungsgrundlagen für die Regierung; Agrar- und Ernährungspolitische  Zielformulierungen; auch als Ziel-Indikatoren zu nutzen

Mit makrostatischen Daten Korrelationen möglich, wie sich die Ernährung mit der wirtschaftlcihen Entwicklung ändert (Perisse J.: Nutrition Newsletter 7(3), (4) 1969) sowie 6(1) 1968)  Regressionsgleichungen - steigendes Einkommen (BSP der Länder) höherer Anteil an tierischem Fett, weniger komplexe Kohlenhydrate, mehr Zucker.  Gesundheitsdaten und Food Balance Daten - Korrelationen - ernährungsepidemiologische Aussagen (Mortalität - z.B. Bezug zu Fett-Aufnahmen) (Landkarten - Hauptnahrungsmittel - Diabetes - M.D.Glashen - Trop.gogr.Med. 19: 333 (1967) (Sasaki, Kestelot  FAO Data - as source for fat intake in epidemiologic studies AJCN 56_716_1992 (Donwload)  (CHART)

Hypothesen sind so zu generieren (Joint FAO/WHO Expet Committee on Nutrition; 7th Report; 1966, p.39) (Diabetes - Hauptnahrungsmittel - CHART)

Max Roser and Hannah Ritchie (2017) – ‘Food per Person’. Published online

www.ourworldindata.org/food-per-person  - Hannah Ritchie and Max Roser (2017) – ‘Diet Compositions’. Published online www.ourworldindata.org/diet-compositions 

 Versorgungsbilanzen - www.bzl-datenzentrum.de -

Nahrungsmittelbilanzen historisch (1956) - Tab. 236f - S. 137f

(Beispiel: historisch - BMELF - Statistisches Handbuch (1956) über Landwirtschaft und Ernährung der Bundesrepublik Deutschland. Verlag Paul Parey, Hamburg, Berlin, 1956

Food Balance Sheet - Germany (FRG, 1972-74Tanzania (1972-74)

Food Balances - in Europa (EHNR I) (Anhang Charts)

Ernährungsepidemiologie-Buch - und Publikation OLT 79 - AGEV - Ernährungs-Umschau-Beiheft _ Ernährungs-Erhebungs-Methoden

Analogie von nationalen Nahrungsbilanzen sind die Verbrauchserhebungen (Household Food Consumption Methods) Bilanzen für die privaten Haushalte .

Beispiele für Ernährungsepimdeiologische Analysen - Food Balance Data - Korrelationen mit Mortalitätsraten (Länder) (siehe Mortalität)

(Chart - Vor- und Nachteile von Food Balance Sheets)

Literatur:

K.K.P.Rao: Food Consumption and Planning, International Encyclopaedia of Food and Nutrition. Vol5, Pergamon Press, Oxford, 1976)

G.Ulbricht; M.Möhr, I.Räke: Methodische Grundlagen zur ernährungsphysiologischen Bewertung des Pro-Kopf-Verbrauches an Lebensmitteln. Nahrung 23: 337-351 (1979) - http://www3.interscience.wiley.com/journal/113406127/issue?CRETRY=1&SRETRY=0

<media 6590>Haase</media>, F. – Verbrauchsstatistik    (in OLT125)

 

Helen C Farnsworth: National Food Consumption of 14 Western European Countries and factors responsible for their differences. Food Research Institute Studies (Stanford University); XIII, 77.94 (1974).

D.S.McLaren: Middle East Countries. World Review of Nutrition and Dietetics 12: 43 (1970); Oke - Nigeria - WRND 14:1 (1972); Hsu - Taiwan - WRND 17: 39 (1973);  E.Ferber - Jugoslavia - WRND 18: 263 (1973)
ICNND-Surveys
FAO. Handbook for the preparation of Food Balance Sheets, FAO, Washington, 1949

Woermann: Europäische Nahrungswirtschaft. Nova Acta Leopoldina Neue Folge Band 14, Nummmer 99, Halle (Saale) 1944  (scan im Archiv) 

In kleinen, abgeschlossenen Staaten - z.B. Inseln - sind food balances relatib gut durchführbar;  Beispiele: E.B.Simmons; T.T.Poleman Mauritius ( Conrell International Agricultural Bulletin, No.29 (1974)

FAO - Food Balance Sheets

Die FAO ist die Organization, die Methode der Food Balance Sheets pflegt, Handbücher dazu und vor allem hier sind Daten aus allen Ländern in vergleichbaren Dimensionen zusammengestellt und seit einigen Jahren auch elektronisch zugänglich (Anm - früher waren dies immer dicker werdende Tabellenwerke - teilweise im Archiv vorhanden)

 

LINKS -

http://faostat.fao.org/site/368/default.aspx

http://faostat.fao.org/site/354/default.aspx

http://faostat.fao.org/site/291/default.aspx

 

A food balance sheet presents a comprehensive picture of the pattern of a country's food supply during a specified reference period. The food balance sheet shows for each food item i.e. each primary commodity availablity for human consumption which corresponds to the sources of supply and its utilisation. The total quantity of foodstuffs produced in a country added to the total quantity imported and adjusted to any change in stocks that may have occurred since the beginning of the reference period gives the supply available during that period. On the utilisation side a distinction is made between the quantities exported, fed to livestock + used for seed, losses during storage and transportation, and food supplies available for human consumption. The per capita supply of each such food item available for human consumption is then obtained by dividing the respective quantity by the related data on the population actually partaking in it. Data on per capita food supplies are expressed in terms of quantity and by applying appropriate food composition factors for all primary and processed products also in terms of dietary energy value, protein and fat content.

 

Notizen zur Geschichte der FAO Food Balances

Erstmals gab es Food Balances 1949 (das waren Daten aus der Vorkriegszeit bis 1947/48) - für 41 Länder
(jeweils für 3 Jahre zusammengefasst, da dadurch jährliche Schwankungen ausgeglichen werden;
1955 - 33 Länder / 1957 - 29 Länder / 1963 - 43 Länder / 1966 - 63 Länder / 1971 - 132 Länder / 1977 162 Länder erfasst (Zeitraum 1972-1974)

 

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Food Balance Länder Studien

 

Jaime Ariza‐Macías, Hilda Díaz de Collazo & Elizabeth Sánchez: Food balance sheet Puerto Rico 1967–1968 - A university contribution to assessment of nutritional status . Ecology of Food and Nutrition 2(3) 173-180 (1973)(scan im Archiv)