07/23/16

Ausstellungen und Museen zur Kartoffel

Kartoffelmuseen (⇒ Ernährungsmuseen)
- Deutsches kartoffelmuseum in Fußgönheim  - website -
- in München (Pfanni) - link -
- Vorpommersches Kartoffelmuseum - wikipedia -
- Weltkartoffelmuseum in Dänemark - de.wikipedia.org/wiki/Kartoffelmuseum

Kartoffel-Klösse Thüringer Kloßmuseum Heichelheim/Weimar - www.klossmuseum.de (veraltet)- neuer link -
- Klosspressenmuseum in Großbreitenbach  - link -
Frittenmuseum - Frietkotmuseum, Antwerpen.  www.fritkotmax.be
- in Brügge - link -

Im Stadtmuseum Fellbach gibt es als eine Rahmenveranstaltung der 13.Triennale für Kleinkunst:  Die Ausstellung "Die Kartoffel - Geschichte und Geschichten" statt) (Flyer) (02.06.-6.10.2016)
Im Rahmenprogramm
Vortrag am 04.07.2016: Dr. Jürgen Weisser (Leiter des Deutschen Landwirtschaftsmuseum Hohenheim)  „1816 – Das Jahr ohne Sommer“.  Auswirkungen einer globalen Hungerkatastrophe auf Württemberg.
Notizen: 1815 bricht auf der indonesischen Insel Sumbawa der Vulkan Tambora aus. Es ist der verheerendste Vulkanausbruch in der Menschheitsgeschichte der letzten Jahrtausend. Die "Sprengkraft" des Ausbruchs wird mit bis zu 170.000mal  der Hiroshimabombe geschätzt (wikipedia; Weisser nennt 1700mal); der Vulkan wird um 1500m kleiner, es werden rund 150 Milliarden Tonnen vulkanischen Materials in die Atmosphäre "geblasen". Das bewirkt eine Katastrophe globalen Ausmaßes, deren Umfang erst im 20.Jahrhundert erfasst wird.
Im über 12.000km entfernten Württemberg spielte das Wetter 1816 verrückt. Chroniken aus jenen Jahren berichten von fast täglichen Regenfällen und Gewittern in den Monaten Mai und Juni 1816, am 31. Juli fiel auf der Schwäbischen Alb sogar Schnee. Nachdem schon die Jahre zuvor von schlechten Erträgen geprägt waren, und auch Reserven in den Kriegen mit Napoleon karg waren;  kam es 1816 infolge von Kälte, Hagelschlag und Überschwemmungen zu Missernten, wie es sie seit Menschengedenken nicht gegeben hatte. Die Spekulation mit Getreide trieb den Brotpreis in enorme Höhen, da früher die Lebensmittelausgaben einen hohen Anteil der Lebenshaltungskosten betrafen, konnten viele Menschen nicht genug zum Essen kaufen; eine fatale Hungersnot begann.

Über dieses Natureignis gibt es Berichte aus vielen Ländern, von Seefahrern, aus Kolonien. Das veränderte Klima - "die Erde verdunkelte sich" beschreibt Lord Byron 1816 im Gedicht „Finsternis“ - „Erloschen war der Sonne Schein“ (link beim Projekt Gutenberg). Der britischen Hochkommisar in Singapur Raffels beschreibt die Tage in seinem Tagebuch; z.B. dachte er die gegenerischen Franzosen schiessen mit Kanonen. 
Die Hungersnöte werden in vielen Ortschroniken beschrieben; z.B. link bei  www.regionalgeschichte.net ; Rorschach: Daniel Krämer,D.:  «Menschen grasten nun mit dem Vieh» Die letzte grosse Hungerkrise der Schweiz 1816/17. Schwabe-Verlag 2015. 527 Seiten;  Hungersnot in Kassel (link bei www.dhm.de  ). Als Erinnerung wurden viele Hungertaler angefertigt (z.B. link und Südwestpresse). Die Nöte führen zu sozialen Unruhen, es gab Hungerräuber a la Robin Hood, berühmt ist  Franz Xaver Hohenleitner und seine Bande Schwarzer Very - Biberach (1816-18).
Viele hungernde Württemberger sahen in der Auswanderung den einzigen Ausweg.
Die Auswirkungen des Vulkanausbruchs waren in verschiedenen geographischen Zonen recht unterschiedlich. In Europa und China traten Nässe und Kälte ein. In Indien und den USA war es kälter jedoch sehr trocken, es kam zu Dürrekatastrophen. In Russland wurde es eher wärmer und es gab gute Getreide ernten. Viele württembergische Wirtschaftsflüchtlinge wanderten nach Bessarabien aus (wikipedia) (link bei www.bessarabien.de ).
Zu Beginn der Hungersnot im Königreich Württemberg herrschte König Friedrich, er unternahm praktisch nichts. Er starb am 30.10.1816  und sein Nachfolger der junge König Wilhelm I im Verbund mit seiner Frau Katharina (einer russischen Zarentochter) organisierten recht effektiv Nothilfe; neben humanitärem Aspekten war auch die Sicherung des Throns ein Motiv. Die karative Seite - kurzfristige Hilfe für die Armen in sieben Bereichen (analog den Grundbedürfnissen; Hunger, Durst, Bekleidung usw.); z.B. Armenspeisung - Suppenküche - Rumfordsuppe; Arbeitsbeschaffung durch Straßen- und Kanalbau -
wurde vorbildlich begleitet mit längerfristigen Maßnahmen:
- Förderung der Landwirtschaft, die unter anderem 1818 zur Gründung einer landwirtschaftlichen Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt in Hohenheim, der heutigen Universität Hohenheim
- Landwirtschaftlichen Vereins mit seinem jährlichen Hauptfest in Cannstatt führten. (www.lwh-stuttgart.de )
- Bildung: Katharinen-Stift
- Gesundheit: Katharinen-Hospital
- wirtschaftliche Untersützung. Sparkassen für Alle (Landessparkasse)
- wirtschaftspolitische Maßnahmen. Handelsordnungen, keine Ausfuhren - Fruchtsperre (die allerdings die Hungersnöte in Nachbarregionen, wie der Schweiz, befördeten).
Die Bedeutung der Entwicklung und Standardierung von Ackergeräten in Hohenheim wird hervorgehoben.
Noch Anfangs des 19.Jahrhundert gab es im deutschen Raum nur individuell (z.B. durch Dorfhandwerker) erstellte Geräte (wie Schaufeln, Pflüge, u.a.).Die Hohenheimer Ackergerätefabrik kaufte diese und untersuchten sie; zuerst wurden sie nur zerlegt, dann auch als Anschauungsmaterial (ab 1830) archiviert. Aus diesen Erfahrungen wurde optimierte Geräte entwickelt, standardisiert und geprüft. Die Hohenheimer Landmaschinenfabrik (erster Leiter von Schwerz) war führend - Weisser spricht von einem "Silicon Valley" jener Zeit (Tagblatt). Sie beteiligte sich an der Weltausstellung in London 1862. Ergänzt wurde der Katalog  der landwirtschaftlichen Geräte (erste Ausgabe 1834; mit subventionierten Preisen für Landeskinder, und solche für "Ausländer"; Katalog 1842) durch maßstabsgetreue Modelle (dreidimensional). Diese Modelle konnte gekauft werden und danach durch örtliche Handwerker das Gerät erstellt werden. Viele dieser Modelle sind im Deutschen Landwirtschaftsmuseum ausgestellt.
Der in Kirchheim/Teck geborene Max Eyth war bei der großen Dampfpflugfabrik Fowler leitend tätig. Diese Maschinen pflügte die großen Felder in England, USA, Pommern usw. Er beschrieb später den Wandel der Landwirtschaft in Deutschland. Er förderte die Agrartechnik in Deutschland und gründete die Deutsche Landwirtschaftliche Gesellschaft (DLG), die heute noch Agrargeräte zertifiziert; aber auch Lebensmittel werden getestet und erhalten das DLG-Siegel. May Eyth war zu seiner Zeit ein gern gelesener Sachbuchautor.
Thaer publizierte als erster ein Buch zu landwirtschaftlichen Geräten (1803) (link).
König Wilhelm wurde ein beliebter Herrscher, zu seinem 25jährigen Krönungsjubiläum gab es den historischen Festzug zu dem in die "Kleinstadt" Stuttgart (mit 40.000 Einwohnern) 200.000 Besucher kamen. Auf einem Festwagen gab es einen Hohenheimer „Goldenen Pflug“, heute das Symbol des Deutschen Landwirtschaftsmuseum.(Buch zum Festzug - im Archiv) (digital link UB Tübingen). (Jubiläumssäule auf dem Schloßplatz in Stuttgart)
Einige Auswirkungen des Vulkanausbruchs wurden noch gestreift. Durch die antmosphärische Staubbelastungen waren die Sonnenauf- und -untergänge besonders farbenprächtig. Dies wird durch Maler wie Turner und Caspar David Friedrich auf Gemälden festgehalten.
In der Hungerzeit wurden viele Pferde geschlachtet, einmal um sie zu essen, und zum anderen Tierfutter (Hafer) zu sparen. Pferde waren jedoch für Transport (Forstwirtschaft ua.) und  dem Postwesen essentiell. Der Forstbeamte Karl Drais (war als Erfinder vom badischen Herzog freigestellt), erfand in jener Notzeit das Laufrad - die Draisine.
Die Auswanderung der Württemberger ist im Landesarchiv Ludwigsburg durch Namenslisten dokumentiert.
(Weisser, J.: Vom Hunger- zum Bauernkönig. Goldener Pflug Nr.40/2018, S.43-47 - Scan im Archiv - entspricht weitgehend dem Vortrag in Fellbach 2016)

(Anm.: Serie in der Stuttgarter Zeitung - "1816 - Das Jahr ohne Sommer" (1) Massenexodus aus dem Armenhaus <(Ingmar Volkmann> - 27.07.2016  (link)

Notizen zur Ausstellung:
Albert Anker. Die kleine Kartoffelschälerin, 1886 (link)
Max Pechstein - Kartoffelsammler auf dem Feld
Francois Millet; Angelus 1858 (Gebet auf Kartoffelacker) (Abb)
(Vincent van Gogh - Die Kartoffelesser)
viele Namen für Kartoffeln / viele Kartoffelsorten

Kartoffel in der Literatur
- Heinrich Heine - z.B. Warum die Rose besingen, Aristokrat! Besing die demokratische Kartoffel, die das Volk nährt! - link
Matthias Claudius - z.B. Das Kartoffellied (link)
Heinz Erhardt - z.B. "Vom alten Fritz, dem Preußenkönig, da weiß man viel, doch viel zu wenig, zum einen, daß er die Bratkartoffeln erfand. D´rum heißen sie, das ist kein Witz, auch Pommes Fritz." (link)
Wilhelm Busch - z.B. "Kartoffel-Idyll" (link)
- Johann Wolfgang von Goethe: Alle Mittag zwölf gute Kartoffeln (link) - "Morgens rund, Mittagsgestampft, Abends in Scheiben, Dabei soll`s bleiben, Es ist gesund. (Goethe´s Reisen)  (link)
(K Henseler: Kartoffel in der Kunst - link)

Rolle der Kartoffel in Fellbach - Sammlung von alten Kartoffelrezepten (Schmiedener Feld, Oeffinger Äcker)

23.07.2016 "Kartoffelmenü und Triennale-Führung"
Zum Auftakt wird eine leichte Kartoffelsuppe mit Crème fraîche und Forellenkaviar serviert, gefolgt von einem Kartoffelsalat von Trüffelkartoffeln und Radieschen nach Jamie Oliver. Dritter Gang: Schwäbischer Kartoffelsalat. Kartoffelspezialitäten wie Bamberger Hörnle, La Ratte und Galatiner Annabelle werden zu Butter, Quark und Salz serviert. Ein Carpaccio von Süßkartoffeln mit karamellisierten Erdbeeren rundet das 4-Gänge-Menü ab. 

21.09.2016 - Kartoffelkäferzeiten (Lesung vom Autor Paul Maar)
13.10.2016 - Michael Davidis: "Betrachtungen über landwirtschaftliche Dinge in dem Herzogthum Württemberg". Schillers Vater als Fachschriftsteller (Pressemitteilung)
Notizen: Davidis schilderte in lebendiger Art das Leben von Johann Kaspar Schiller (1723-1796), dem Vater des Dichterfürsten Friedrich Schiller. Er war einerseits im Militärdienst des württembergischen Herzogs Karl Eugen (1728-1793) und in Friedenszeiten mit landwirtschaftlichen Dingen beschäftigt, so wurde er 1775 leiter der Hofgärten des Schloß Solitudes (bei Stuttgart).
J.K.Schiller verfasste eine Reihe von landwirtschaftlichen Schriften; zugänglich ist das Werk
"Die Baumzucht im Großen aus zwanzigjährigen Erfahrungen im Kleinen in Rücksicht auf ihre Behandlung, Kosten, Nutzen und Ertrag", beurteilt von J. C. Schiller 1793 und 1795. (elektr. Zugang ). (Nachdruck: Ulmer Verlag Stuttgart 1993; mit Apfelbildern von Tochter Chr.).
Das fünfbändige Hauptwerk:  Oekonomische Beyträge zur Beförderung des bürgerlichen Wohlstandes (1767–1768) - Betrachtungen der landwirtschaftlichen Dinge in dem Herzogthum Wuerttemberg, aufgesetzt von einem herzogl. Offizier, Stuttgart, bey Christoph Friederich Cotta, Hof- und Canzley-Buchdrucker:
Bd 1 - Ackerbau; Bd 2 - Weinbau; Bd. 3 - Viehzucht; Bd. 4 - Baumzucht (Schwerpunkt: Obstbäume; wenig Forstwirtschaft); Bd. 5 - Das ländliche Gewerbe. (Anm. nicht im Internet zugänglich).
Dort ist u.a. geschrieben, dass bereits 1716 Kartoffeln in Württemberg angebaut wurden (Der Kartoffelbefehl vom Preußenkönig Friedrich erfolgte 1756)
Anzumerken ist der Ausdruck Baumzucht (Baumschule) und  Militärische Pflanzschule (Menschen) in der damaligen Zeit. Der Vater leitete die Baumschule und der berühmte Sohn war an der Hohen Karlsschule - der militärischen Pflanzschule.
JK Schiller´s landwirtschaftliche Werke wirkten mit die einige Jahrzehnte später einsetzende Entwicklung der modernen Landwirtschaft in Württemberg (s.o. Vortrag Weisser) vorzubereiten; doch er war nicht der einzige Fachschriftsteller seiner Zeit. Bekannter waren die Werke von Rudolf Zacharias Becker: Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute, oder lehrreiche Freuden- und Trauer-Geschichte des Dorfes Mildheim: für Junge und Alte. Verlagsort: Sulzbach in der Oberpfalz | Erscheinungsjahr: 1789 | Verlag: Seidel Signatur: 1001347 Oecon. 2044 b 1001347 Oecon. 2044 b (elektr.Zugang). Doch Johann Kaspar Schiller´s Nachruhm nährt sich von dem Ruhm seines Sohnes.
Es gibt einen Nachdruck der Biographie: Johann Caspar Schiller, Meine Lebensgeschichte. Nach der Handschrift herausgegeben von Ulrich Ott. 1993. 20 Seiten; Schillerhaus Marbach (link).
Im Vortrag von M.Davidis "Die Bildnisse der Familie Schiller"; Seniorenprogramm der L-M-Uni München, 01.07.2008 (link) ist der Stammbaum (Stammtafel) von JC Schiller abgebildet.
Wahrgenommen werden auch die Apfelbilder von Friedrich Schillers Schwester Christophine  (z.B. Blog der TAZ vom 16.02.2013)  

Notiz: Kartoffelausstellung im Stadmuseum Fellbach hatte 5000 Besucher (darunter 1500 Schüler)

Christoph Gottfried Ungibauer (auch: Ungebauer) (geb.16.01.1701 in Schwarzbach (Greiz); gest.† 1758 in Naunhof) war ein deutscher evangelischer Pfarrer, Autor theologischer Schriften und maßgeblicher Förderer des Kartoffelanbaus nahe Leipzig. In Naunhof und in Machern gab es zu Ungibauers Ehre und Gedenken lange Zeit regelmäßige Kartoffelfeste.  (wikipedia)
- Chronik der www.naunhoferkartoffelfest.de -
- Kartoffelfest zu Machern - google book  (Archiv der teutschen Landwirthschaft und landwirthschaftlichen Technologie: 1841, S.62)

Kartoffel in der Philatelie (link)