07/07/21

Gemeine Nachtkerze - Oenothera biennis

Die Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis), auch als Gewöhnliche Nachtkerze bezeichnet, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Nachtkerzen (Oenothera) innerhalb der Familie der Nachtkerzengewächse (Onagraceae). Sie zählt in Mitteleuropa zu den eingebürgerten Neophyten, da sie um 1620 als Zierpflanze von Nordamerika nach Europa eingeführt wurde. Mittlerweile ist sie in Europa so weiträumig verbreitet, dass sie von den meisten Menschen als einheimische Art wahrgenommen wird.  So hat sie auch viele weitere Namen, wie Nachtblume, Gelber Nachtschatten, Nachtschlüsselblume, Eierblume, Gelbe Rapunzel, Rapunzelsellerie, Härekraut, Rapontika, Rübenwurzel, Schinkenkraut, Schinkenwurz, Stolzer Heinrich, Weinblume, Weinkraut und Hustenblume.

Die Gemeine Nachtkerze ist eine zweijährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 0,8 bis max. 2 Meter erreicht. Sie bildet im ersten Jahr eine auf dem Boden aufliegende Blattrosette mit fleischiger Pfahlwurzel. Im zweiten Jahr erhebt sich daraus ein grüner oder im unteren Bereich rötlich überlaufener, ungetupfter Stängel, dieser ist einfach oder spärlich verzweigt. Die grundständigen und wechselständig am Stängel verteilt stehenden Laubblätter sind sitzend oder kurz gestielt und hell- bis mittelgrün. Die Blattspreiten der Grundblätter sind 10 bis 30cm lang und meist 2 bis 5cm breit. Die Blattspreiten der Stängelblätter sind bei einer Länge von 5 bis 22cm und einer Breite von meist 1,5 bis 5cm schmal verkehrt-lanzettlich bis elliptisch mit spitzer bis zugespitzter Spreitenbasis und spitzem oberen Ende. Der Rand der Stängelblätter ist gezähnt bis fast glatt. In einem meist unverzweigten, dichten Blütenstand stehen viele Blüten zusammen. In der Achsel eines Tragblattes sitzt je eine Blüte. Die Blütenknospen sind grün. Die junge Kapselfrucht (2-4cm lang, Durchmesser 1-2mm) ist mit Drüsenhaaren bedeckt. Die Samen stehen in zwei Reihen je Fruchtfach. Die 1-2mm großen, kantigen Samen besitzen eine braune bis fast schwarze und unregelmäßig genarbte Oberfläche. Jede Samenkapsel beherbergt bis zu 200 Samen. Da jeder Haupt- oder Seitentrieb bis zu 120 Blüten hervorbringen kann, ist die Gemeine Nachtkerze sehr ausbreitungsstark.

Die Blütezeit der Gemeinen Nachtkerze beginnt in Mitteleuropa Anfang Juni und kann bei guten Standort- und Wetterbedingungen bis Ende September anhalten. Die einzelnen Blüten sind sehr kurzlebig. Sie öffnen sich in der Abenddämmerung und sind meistens bis zum nächsten Mittag verblüht. Der genaue Zeitpunkt, zu dem sich die Blüten öffnen, ist von Sonnenstand, Tagestemperatur und Luftfeuchtigkeit abhängig. Das Öffnen der Blüten erfolgt häufig innerhalb weniger Minuten in einer fließenden Bewegung. Die Plötzlichkeit und Schnelligkeit des Aufblühens ist ansonsten bei keiner anderen in Mitteleuropa vorkommenden Pflanze zu beobachten. Sie ist deshalb in Botanischen Gärten und Schulgärten eine gelegentlich verwendete Demonstrationspflanze. Eine sich öffnende Blüte ist in der Regel noch geruchlos. Erst nach vollständiger Öffnung verbreitet sie einen intensiv süßlichen Duft, der mitunter als aufdringlich und fast stinkend empfunden wird. Die Narben sind am Blüteneingang den bestäubenden Insekten zugänglich. Die Gemeinen Nachtkerzen bestäuben sich selbst, mit Hilfe von Schmetterlingen. Für eine Pionierpflanze, die gern neue Standorte besiedelt, ist das von Vorteil.

Als Standort benötigt die Gemeine Nachtkerze einen trockenen, nicht zu nahrhaften, aber möglichst kalkhaltigen Boden. In ganz Europa, Vorderasien und Ostasien ist sie an sogenannten Ruderalplätzen wie Wegrändern, Kies- und Sandgruben, Steinbrüchen und Schotterbänken zu finden. Aufgrund ihrer Verbreitung entlang von Eisenbahnlinien wird sie gelegentlich auch als „Eisenbahnpflanze“ bezeichnet. Schon 1884 wurde beschrieben, dass die moderne Eisenbahn zur Verbreitung beigetragen hat. Für ein optimales Gedeihen der Nachtkerze sorgen hohe Temperaturen und Sonne.

Schon relativ früh erkannte man, dass die Gemeine Nachtkerze nicht nur eine attraktive Zierpflanze darstellt, sondern dass sie sowohl als Nahrungs- als auch als Heilmittel sowie in der Kosmetik zu verwenden ist. Dies ist bei uns weitgehend in Vergessenheit geraten.

Die Blätter und Wurzeln der Pflanze wurden von verschiedenen Stämmen der amerikanischen Ureinwohner als Nahrungsmittel genutzt. Die Blätter werden am besten vor der Blüte geerntet. Sie schmecken ähnlich wie Mangold und können als Gemüse oder Salatzutat genutzt werden. Die Blüten geben Kräuterbutter und Kräuterquark eine besondere Note. Sie können aber auch als essbare Dekoration über Suppen, Salate und Desserts gestreut werden. Für einen Tee werden die getrockneten Blüten mit aromatischen Kräutern wie Zitronenmelisse und Minze kombiniert.
Die Pfahlwurzel der Nachtkerze kann im ersten Jahr ab Oktober geerntet und als Gemüse verzehrt werden. Dabei darf die Pflanze keine Blüten ansetzen, da die Wurzel sonst verholzt. Sie ist zarte und mild-süßlich schmeckend, und wird auch Schinkenwurz genannt, da sie sich beim Garen rötlich verfärbt. Ähnlich wie die Schwarzwurzel kann man sie schälen, dünsten und für Gemüsepfannen und Suppen verwenden.
In der modernen Küche werden die Blütenblätter gelegentlich als essbare Dekoration verwendet.

Bereits die nordamerikanischen Ureinwohner verwendeten die zu Brei zerstampften Samen der Gemeinen Nachtkerze als Heilmittel. Alte Sprichwörter behaupteten, dass ein Pfund der Nachtkerzenwurzel so viel Kraft gebe wie ein Zentner Ochsenfleisch. In der Naturheilkunde hat heute vor allem das Nachtkerzenöl eine Bedeutung. Dieses aus den Samen gewonnene Öl wird zur Behandlung und zur symptomatischen Erleichterung bei Neurodermitis innerlich eingesetzt. Es wird in der Naturheilkunde außerdem bei Asthma, Heuschnupfen, Bluthochdruck, Migräne und Rheuma angewendet. Wissenschaftliche Belege zur Wirksamkeit gibt es kaum.
Das Nachtkerzenöl kann auch bei Menstruations- und Wechseljahrsbeschwerden genutzt werden, um die Symptome zu lindern.
Das Nachtkerzenöl findet aufgrund seiner Wirkungen auch Verwendung als Wirkstoff und Additiv in Kosmetikartikeln, speziell in Hautcremes. Die Inhaltsstoffe wirken hier vor allem bei reizempfindlicher Haut beruhigend und können dementsprechend vor allem bei trockener, schuppiger und juckender Haut pharmazeutisch verwendet werden.
Ein weiteres Einsatzgebiet stellt die Haustierpflege dar. Hautreizungen und Haarausfall können bei Fellproblemen ebenfalls mit dem Öl behandelt werden.
Die Nachkerzenöle sind reich an ungesättigten Fettsäuren (Linol- und Linolensäure), das Öl ist sehr teuer. So werden Nachtkerzen auch kommerziell angebaut.

Informationen:

Gemeine Nachtkerze (wikipedia) - engl. Oenothera biennis -

BZfE News 07.07.2021

Nachtkerze: Heimische Ölpflanze für Spezialanwendungen - Anbautelegramm. link bei www.renewable-carbon.eu  13.02.2008

Es gibt einige Briefmarken mit Nachtkerzen:

Rumänien (MiNr.6715-20, Block 562; 21.06.2013) Blumen und Uhren (II). u.a. Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis) (Abb)
USA (MiNr.4437-46, 02.10.2008) Amerikanische Naturlandschaften (X): Dünen der Großen Seen.  u.a. Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis), Abendammer (Pooecetes gramineus)  (Abb)

Israel (MiNr.214-15, 27.04.1960) 12 Jahre Unabhängigkeit: Blumen. u.a. Nachtkerze (Oenothera drummondii)

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