05/22/21

Binkelweizen - Triticum aestivum ssp. compactum - 3000 Jahre alte Weizenart

Binkelweizen oder Zwergweizen (Triticum compactum, Syn. Triticum aestivum subsp. compactum) wird auch Zwerg-, Berg- oder Pfahlbauweizen genannt, meist jedoch einfach als Binkel bezeichnet. Er besitzt mehrere begrannte und unbegrannte Varietäten in Sommer- und Winterformen. Charakteristisch sind vor allem die auffallend kurzen und kompakten Ähren. Sie alle gehören zu der Gattung Weizen (Triticum) innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae).  Die evolutionäre Entwicklung der Binkelart verlief ähnlich wie beim Weichweizen. Zu den „Eltern“ zählen deshalb Einkorn , Emmer und Ziegengras (Aegilops tauschii).
Die Verbreitung vom Binkel in Europa (vor allem im Alpenraum) erfolgte nachweislich vor tausenden von Jahren (Neolithikum) etwa gleichzeitig mit dem Weichweizen und Dinkel. Über Binkel ist das Wissen vergleichsweise geringer, da es nur wenige archäologische Funde (Körner) gibt. Bekannt sind Funde vom Bodensee (Pfahlbauweizen), Mondsee und Sigmaringen, aus dem alpinen Raum und aus Ostdeutschland. Die größeren Anbaugebiete erstreckten sich bis in das 20. Jahrhundert in den Regionen Nordtirol, Süddeutschland, Norditalien, Frankreich und der Schweiz. Der Ablösungsprozess der alten Landsorten durch Zuchtsorten fand vor allem im Zeitraum 1870 bis 1930 statt. Nach und nach wurde der kleinkörnige Binkel von den ertragreicheren Arten Weichweizen und Dinkel vollständig verdrängt, konnte sich aber in Europa in den bergigen Regionen sporadisch bis zum 20. Jahrhundert wegen seiner besonderen Eigenschaften halten (deshalb auch Bergweizen genannt). Bedeutsam waren die Tiroler Binkelsorten in Österreich bis 1962, die man heute versucht, zu rekultivieren. Es gibt verschiedene erhaltene Varietäten z.B. in der Genbank Gatersleben. Heute gibt es in Österreich, Schweiz und Deutschland (in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und Nordrheinwestfalen) einzelne Rekultivierungsprojekte (z. B. Anbauversuche des Vereins VERN e. V.).

Binkel ist winterfest. Binkelhalme sind mittellang, die Ähre mit kleinen Körnern ist kurz und kompakt. Es gibt begrannte und unbegrannte ("nackte") Genotypen. Er besitzt hohe Stroh- und Wurzelrückstände. Der Ertrag liegt bei ca. 20-25 dt/ha (Hochzuchtweizen ist zwei- bis dreimal ertragreicher). Die Mähdruscheignung ist gut, er drischt „nackt“ (ohne Spelzen).

Alte Sorten wie der Binkelweizen haben Eigenschaften, die in Zeiten des Klimawandels wieder gefragt sind. Die Ansprüche  an Klima und Anbau sind insgesamt niedriger als bei heutigen Sorten. Er benötigt nur mäßige Düngergaben um optimale Proteingehalte für die Brotherstellung zu erreichen. Bei Anbau von weniger Pflanzen pro Quadratmeter kann sich der Bestand besser bestocken und bewurzeln. Das längere Stroh speichert dadurch mehr Wasser für evtl. Dürreperioden und die gute Beschattung des Bodens durch reiche Beblätterung unterdrückt Konkurrenzkräuter wie Winden, Ackerfuchsschwanz, Klettenlabkraut relativ gut.
Der anspruchslose Binkelweizen gilt vor allem als eine Brotgetreideart. Früher wurde das Stroh bevorzugt für Flechtwaren verwendet.
Eine Rekultivierung ist aufwendig und benötigt einige Jahre.
Ein Beipsiel ist das Rekultivierungsprojekt des Bäckerhauses Veit (in Bempflingen) in Kooperation mit Prof. Dr. Jan Sneyd (im Ruhestand, früher Fachhochschule Nürtingen). Dadurch wurde die Binkelweizen-Varietät „Samtrot“ gerettet. Der Samtrot Binkelweizen wird bei zwei Vertragslandwirten in Beuren und Bempflingen sowie im Freilichtmuseum Beuren angebaut. Das erste Binkelbrot wurde im Oktober 2020 in der Bäckerei angeboten und seither in Aktionswochen regional im Raum Stuttgart verkauft. Sobald größere Erntemengen vorliegen wird das Angebot auf andere Backwaren ausgedehnt. Weitere Erzeuger planen den Anbau von Binkelsorten als Getreide für Müsli sowie als Binkelmehl für private Haushalte.

Informationen:

- wikipedia - engl. Triticum compactum -

Echter Binkelweizen. Slow Food Arche - in der Arche seit 2021

- Zwerg- oder Binkelweizen (Triticum aestivum ssp. compactum) - link bei https://fundus-agricultura.wiki/   (Die Wissensdatenbank für traditionelle Landwirtschaft in den Alpen)
Weizen (alte Sorten). link bei www.landsorten.de - Das Getreidenetzwerk des VERN e.V.

Bäckerhaus Veit in 72658 Bempflingen -  www.baeckerhaus-veit.de + "Erstes Binkelbrot seit 100 Jahren. link 22.01.2021 + Binkel – eine 3000 Jahre alte Weizenart" link -
Gemeinsam für regionale Sorten mit Tradition.- link bei www.freilichtmuseum-beuren.de -

Katalog für seltene Kulturpflanzen. Compendium 2021 - donwload bei VERN e.V. -

 

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