08/17/23

Chinin - Chinarindenbaum

 

 

Chinin ist ein bitter schmeckendes, kristallines Pulver, das aus der Rinde des Chinarindenbaums, Cinchona pubescens, gewonnen wird. In der Medizin wird das Alkaloid zur Behandlung von Malaria und nächtlichen Wadenkrämpfen eingesetzt. Chinin wird aber auch als Geschmacksstoff, vor allem in Getränken wie Tonics und bitteren Zitronenlimonaden eingesetzt. In Deutschland dürfen alkoholfreie Erfrischungsgetränke maximal 85 Milligramm Chinin pro Liter (mg/L) enthalten. In größeren Mengen konsumiert, kann Chinin gesundheitlich problematisch sein. 
Chinin als Medikament hatte bedeutende Einflüsse in der Kolonialgeschichte. Die Kolonialherrscher aus den gemäßigten Klimazonen in denen Sumpffieber und Malaria eher unbekannt waren, hatten im tropischen Klima  Probleme mit tropischen Erkrankungen. Chinin war eine wirksame Medizin und wurde ökonomisch sehr wertvoll
(Hobhouse - Sechs Pflanzen verändern die Welt). Heute gibt es viele moderne medizinische Mittel gegen Tropenkrankheiten, so ist Chinin in der Medizin eniger wichtig als früher; die Verwendung von Chinin im Lebensmittelbereich ist weiterhin bedeutend.

Informationen zum Chinarindenbaum.
Die Pflanzengattung Chinarindenbäume (Cinchona) gehört zur Familie der Rötegewächse (Rubiaceae). Die etwa 23 Arten sind ursprünglich in Zentralamerika (Costa Rica, Panama) und im westlichen Südamerika (Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru, Venezuela, Brasilien) verbreitet. Sie gedeihen in den Bergregionen. Einige Arten und Hybriden werden in tropischen Gebieten zur Gewinnung des vor allem als Malariamittel bekannten Chinins weltweit angebaut.
Chinarindenbäume können als Sträucher wachsen, doch meist sind es Bäume, die zwischen 5-15 Meter hochwachsen.
Zur Herkunft des Namens, der nichts mit China zu tun hat, gibt es zwei unsichere Versionen. Einerseits stammt es wahrscheinlich vom Quechua-Wort kina-kina (auch quina-quina) „Rinde der Rinden“  ab, als Bezeichnung für die als Heilmittel gebrauchte Rinde. Die botanische Bezeichnung Cinchona geht auf eine angeblich erfolgreiche Heilung der Gräfin Anna Condeza de Chinchón (1599–1640) zurück, der Gattin des spanischen Vizekönigs von Peru, die 1638 an Malaria erkrankte. Geheilt sei sie durch ein Mittel worden, das ihr ein Jesuitenpater namens Juan de Vega und Leibarzt des Vizekönigs verabreicht und in dem angeblich Chinarindenbaumextrakt verarbeitet worden sein sollte. Für Carl von Linné war diese Erfolgsgeschichte der Anlass, dieser Pflanzengattung 1753 den botanischen Namen Cinchona zu verleihen.
Der Chinarindenbaum findet sich auf dem Wappen Perus.

(wikipedia - engl  Cinchona

Informationen zum Chinin.
Chinin gehört zu den ältesten Malariamitteln der Welt und ist auch als fiebersenkendes Heilmittel bekannt. Bis 1940 war Chinin das einzige wirksame Medikament gegen Malaria. Heute gibt es deutlich mehr und auch wirksamere Mittel zur Behandlung, sowie eine Impfung mit eingeschränktem Schutz.
Aus der Rinde des Chinarindenbaums können bitter schmeckende Präparate hergestellt werden. Sie enthalten China-Alkaloide, der bekannteste dieser Naturstoffe ist das Chinin. Dieser wurde erstmals im Jahre 1820 durch Pierre Joseph Pelletier und Joseph Bienaimé Caventou isoliert. Nicht alle Arten der Gattung der Chinarindenbäume (Cinchona) enthalten den Wirkstoff jedoch gleichermaßen. Cinchona ledgeriana besitzt eine Rinde, die durchschnittlich 13 Prozent Chinin enthält.
Das aus der Rinde industriell extrahierte Chinin hatte bis nach dem Zweiten Weltkrieg große wirtschaftliche und medizinische Bedeutung. Das Kina-Büro wachte seit 1922 über die Kontrolle und Förderung der Chinarindenproduktion, der Verteilung der Kontingente auf die Mitgliedsstaaten sowie die Aufrechterhaltung der Preisstabilität. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden jährlich 1500 Tonnen Chinin produziert. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Vernichtung von Chinarindenbaumplantagen zum Kriegsmittel. So fällte die japanische Armee zum Beispiel 20.000 Hektar der Chinarindenplantagen auf Java, sodass sich die Suche nach synthetisch hergestellten Ersatzstoffen verstärkte. Chloroquin und Primaquin waren die ersten synthetisch erzeugten Wirkstoffe gegen die Malaria, die das natürlich erzeugte Chinin seit dem Zweiten Weltkrieg ablösten.
Chinin wird in Mengen von ca. 300 bis 500 Tonnen pro Jahr durch Rindenextraktion von kultivierten Pflanzen hauptsächlich in Indonesien, Malaysia und der Demokratischen Republik Kongo gewonnen.
Durch seine Bedeutung war die Aufklärung und die Synthese von Chinin ein sehr interessantes Forschungsprojekt. Dies gelang auch, doch wurde die Synthese nie industriell genutzt. Doch diese Forschung leistete bedeutende Beiträge für die Chemie der Naturstoffe und so erhielt der Chemiker Robert B.Woodward, dem die Chinin-Totalsynthese gelang, 1965 den Nobelpreis für Chemie.
Chinin schmeckt bitter und es fluoresziert in saurer Lösung bei Bestrahlung mit Ultraviolettstrahlung (315–380 nm) intensiv hellblau (so erscheint das farblose Tonic Water unter UV-Licht blau).

Chinin als Bitterstoff in Lebensmitteln.
Das bitter schmeckende Chinin wird in geringen Mengen Getränken wie Bitter Lemon oder Tonic Water zugesetzt. Als Höchstmenge ist in Deutschland 85 mg/kg in alkoholfreien Getränken, 300 mg/kg in Spirituosen zugelassen. Generell ist es ein beliebter Bittermacher der Lebensmittelindustrie und beispielsweise in Magenbitter zu finden. Da es sich jedoch um eine pharmakologisch wirksame Substanz handelt, muss die Verwendung in Deutschland in alkoholfreien Getränken stets kenntlich gemacht werden.

Zur historischen Bedeutung von Chinin als Malariamedikament.
Die peruanischen Indianer nutzen Chinabaumrinden-Extrakte in ihrer Heilkunde, lange bevor die europäischen Entdecker und Kolonisatoren nach Südamerika kamen. Viele Wissenjschaftler vermuten, dass Malaria erste durch die Eroberer eingeschleppt wurde. Belegt ist, dass spanische Jesuiten Missionare (1620-1630)  auf die Wirksamkeit von Chinarinde (Jesuit Bark) aufmerksam wurden, diese dokumentierten und größere Mengen von Peru über Spanien nach Italien brachten. Die pulverisierten Drogen erhileten Namen wie Jesuiten-, Gräfinnen- oder Kardinalspulver.
Die Ausweitung des Kolonialismus in malariaverseuchten Erdteilen ließ den Bedarf an Chinarinde und damit auch deren Preis in die Höhe schnellen. Mitte des 19. Jahrhunderts sandten fast zeitgleich die französische, englische und niederländische Regierung Expeditionen nach Südamerika zum Sammeln von Samen und Pflanzen der begehrten Droge. Die noch jungen Staaten Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru kannten den hohen Exportwert der Chinarinde sehr wohl, und die Ausfuhr von jeglichem Pflanzenmaterial der Cinchona war bei Todesstrafe verboten.
In vielen tropischen Regionen wurde versucht Chinarindenbäume zu kultivierten, erfolgreich waren z.B. die Bemühungen in Niederländisch-Indien.
Mit dem Anbau in Deutsch-Ostafrika wurde 1902, zeitgleich mit der Gründung des Biologischen Landwirtschaftlichen Instituts zu Amani begonnen. (Dethloff, W., Chinin. Verlag Chemie, Berlin 1944).
Chinin ist eng mit den Anfängen der deutschen pharmazeutischen Industrie verknüpft. Die erste Chininfabrik lag in Oppenheim. Durch die Versumpfung des Rheins traten in der Nähe der Rheinauen häufiger Malariaerkrankungen auf. Der Oppenheimer Apotheker Friedrich Koch (1786 bis 1865) verfolgte die Versuche von Pelletier und Caventou mit Interesse, und konnte in seinem Apothekenlabor erfolgreich günstige Präparate herstellen. Zu seinen Kunden zählten Emanuel Merck (Darmstadt), Johann Rudolf Geigy (Basel), Pierre Joseph Pelletier (Frankreich) und Johann Daniel Riedel (Berlin) sowie den Pharmahändler und Chininproduzenten Friedrich Jobst (Stuttgart). Des weiteren stellten die Vereinigten Chininfabriken Zimmer & Co und ihre Vorläufer aus Mannheim-Waldhof seit 1828 und C. F. Boehringer aus Mannheim- Waldhof seit 1859 Chinin in Reinform her. In den Niederlanden, Großbritannien, USA, Japan, Frankreich, der Schweiz und Italien spezialisierten sich Betriebe auf die Gewinnung des reinen Wirkstoffes. Auf Initiative der Plantagenbesitzer entstanden Chininfabriken auch am Ort der Produktion - in Bengalen 1862 oder Bandoeng auf Java 1896.
Dies führte zu Überproduktion und Preisverfall von Chinin (z.B. 1824 1370 Mark/kg - 1879 410 - und 1897 nur 20 Mark). Dieser ruinöse Wettbewerb führte zur Bildung des ersten "Kina-Overeenkomst" im Jahre 1913 und im weiteren zu Chinin-Syndikat in Amsterdam. (wikipedia - Chininkartell)
Die niederländische Monopolstellung in Bezug auf Chinin sollte sich im Zweiten Weltkrieg fatal auswirken. Mit der Besetzung Amsterdams durch die deutsche Wehrmacht im Jahr 1940 fielen sämtliche Chininvorräte Europas in die Hände des nationalsozialistischen Regimes. Zwei Jahre später, nach der Eroberung von Niederländisch-Indien durch Japan, waren die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten praktisch von der Chininversorgung abgeschnitten. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs hatten sich in Afrika und im Südpazifik über 600.000 US-Soldaten Malaria zugezogen, bei einer Sterblichkeit von durchschnittlich zehn Prozent. An Malaria starben mehr amerikanische Soldaten als durch japanische Kugeln.
Die US-Behörde für Wirtschaftskriegführung beauftragte den Tropenbiologen Raymond Fosberg mit einer speziellen Mission. Zusammen mit mehreren Botanikern sollte er sofort nach Südamerika reisen, nochmals alle bekannten Cinchona-Arten als Samen oder junge Pflanzen einsammeln und an einem geeigneten Ort in den Vereinigten Staaten eine Plantage errichten. Ebenfalls sollte er dafür sorgen, dass so viel Rinde wie möglich zur Pharmafirma Merck in New Jersey gelangte. Fosberg leitete das Unternehmen von Kolumbien aus. Mit einheimischen Helfern reiste er monatelang durch abgelegene Waldgebiete und befragte die Einheimischen nach verschiedenen Spezies von Cinchona. Zur schnellen Qualitätsbeurteilung der Rinde richtete die US-Regierung Labore in Bogotá, Quito, Lima und La Paz ein. Zum Abtransport von hochwertiger Rinde legte Fosberg sogar Landpisten für Flugzeuge mitten im Dschungel an. 1943 und 1944 gelang es ihm auf diese Weise, fast 6 000 Tonnen Chinarinde für die Alliierten zu sichern - jedoch mit einem gigantischen Aufwand.

Informationen zur Chinin-Geschichte:
Hermann J: Chinarinde. Eine historische Reise um die Erde. Pharmazeutische Zeitung 30.04.2001
The Jesuit's Bark. Scientus 
 Tom Cassauwers: The global history of quinine, the world’s first anti-malaria drug. Tom Cassauwers Blog. 30.12.2015 
Streller, S., Roth, K.: Eine Rinde erobert die Welt - Von der Apotheke an die Bar. Chemie in unserer Zeit. https://doi.org/10.1002/ciuz.201200593  (07.08.2012)
Zur historischen Bedeutung von Lebensmitteln - (link) -
Henry Hobhouse (wikipedia): Seeds of Change: Five Plants That Transformed Mankind, 1985
Hobhouse, Henry: Sechs Pflanzen verändern die Welt. Chinarinde, Zuckerrohr, Tee, Baumwolle, Kartoffel, Kokastrauch. Klett-Cotta, 4.Aufl., 2001 (link)
Charles C. Mann: (wikipedia) : 1491: New Revelations of the Americas Before Columbus (wikipedia) 2005 - Kolumbus' Erbe - Wie Menschen Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen . Rowohlt, 816S. 2013
- "Kolonialwaren"
- Sklaverei -

 

Informationen
wikipedia - engl. Quinine

Chininhaltige Getränke sind nichts für Schwangere! BfR hält entsprechende Kennzeichnung für nötig. BfR Pressedienst 07.06.2005

Chinin auf Briefmarken - Seite in der Agrarphilatelie.

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