Zu jedem Lebensmittel gibt es Vorschriften, Regeln z.B. Handelsklassen - in welchen Formen, Merkmalen sie in den Verkehr gebracht werden dürfen

Lebensmittelgesetze (in Deutschland)
- Lebensmittelbuch - Codex Alimentarus

in Europa / in Österreich

Viele davon sind nach den Kriterien des Handel und Transports abgeleitet worden - Größe - Verpackungseinheiten (bis hin zum Container)  (Handhabungswert), andere vom optischen "Genuß-Wert" - ohne äusseren Makel. 

Vermarktungsnormen - Frisches Obst und Gemüse.  link bei www.ble.de - 

Jetzt (ab 1.7.09) wurden die strengen Regeln der EU gelockert - Stichwort - die EU-Gurke kann wieder krumm sein.  http://www.nzz.ch/nachrichten/medien/ein_guter_tag_fuer_die_krumme_gurke_1.2830723.html
"Eine Gurke wurde zu einem Symbol: Brüsseler Bürokraten legten vor 20 Jahren fest, wie krumm das Gemüse sein darf. Ab dem 1. Juli hat die Gurkennorm ein Ende. Doch es gibt - trotz Bürokratieabbau - viele Bereiche, in die sich die Europäische Union einmischt,
Brüssel hat einen langen Arm - und er ist vermutlich kerzengerade. Die Regelwut der Bürokraten in der EU-Verwaltung ist legendär. Ausgerechnet eine Gurke brachte das Faible für Normen auf den Punkt. Hinter der Ordnungsnummer 1677/88 verbarg sich Haarsträubendes: Nach der Verordnung von 1988 mussten Gurken der Extra-Klasse bisher "gut geformt und praktisch gerade sein". Als "maximale Krümmung" wurden gerade mal zehn Millimeter auf zehn Zentimeter Gurkenlänge akzeptiert
Jetzt wird das Symbol für Brüsseler Bürokratie zu den Akten gelegt. Zum 1. Juli wird der 20 Jahre alte Gurken-Paragraph nun endgültig aus den Amtsbüchern gestrichen. Darunter sind beliebte Früchte wie Aprikosen, Kirschen, Melonen und Pflaumen und gut gehendes Grünzeug wie Möhren, Kohl und Spargel. Die zuständige Kommissarin Mariann Fischer Boel sprach im letzten November gar von einem "Neuanfang für die krumme Gurke und die knorrige Karotte".

Einziger Wermutstropfen: Zehn Fruchtsorten wie Äpfel, Tomaten und Erdbeeren müssen auf einen Neuanfang warten - und nicht nur sie. Fischer Boel sprach von einem "konkreten Beispiel für den Bürokratieabbau" in der EU. Den geht derzeit übrigens der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber als Vorsitzender einer Kommission zur Reduzierung der "Verwaltungslasten" an.Viel zu tun gibt es nämlich auch jenseits von Früchten: Die Höhe von Traktorensitzen, Leitern, Lauflernhilfen, Astlöcher (abgeschafft), Lebensmittelverpackungen, Kindersitze, die Qualität von Schnittholz (bereits abgeschafft) oder Kondome (weitere Regelungen finden Sie hier). Wegen der EU-Normen muss das Medikament Paracetamol, ein seit Jahrzenhnten auf dem Markt befindliches Schmerzmittel, immer wieder langwierige Tests durchlaufen. 

Die meisten Normen kommen übrigens gar nicht aus Brüssel, sondern aus Genf. Dort kocht die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa ihr eigenes Süppchen und liefert nebenbei noch die Basis für die EU-Regeln. Immerhin stimmen 99 Prozent überein.
Sicherlich: Über viele Normen lässt sich streiten. Andere wiederum machen sicherlich Sinn - vor allem, wenn es um Sicherheit im Autoverkehr oder für Kinder geht. Oftmals ist die Sinnhaftigkeit aber auch nur eine Frage der Sichtweise - wie bei der Gurke.

Eine Frage der Sichtweise
Die Änderung sei gut für die Verbraucher, sagt die Kommission. Zwar sehe Obst und Gemüse dann oft nicht mehr so appetitlich aus. Aber je weniger in Konserven und auf dem Müll lande, desto stärker dürften die Preise sinken. Allerdings hat die Behörde die Rechnung ohne die Supermärkte und Discounter gemacht. Welche Lebensmittel den Kunden vorgesetzt werden, bestimmen Aldi, Lidl, Rewe und Co. maßgeblich mit. Dem Handel ist die Streichung der Normen ein Dorn im Auge. Denn sie sorgten für eine bessere Vergleich- und Stapelbarkeit.
Die Bundeslandwirtschaftsministerin will noch weitere Normen streichen. Allerdings droht Ilse Aigner ein heftiger Streit mit den Bauern: Der Deutsche Bauernverband (DBV) hält die Abschaffung der Obst- und Gemüsenormen für "unverständlich und nicht nachvollziehbar" und warnt vor einer "Wühlkiste" im Supermarkt. Man lernt: Auch die Brüsseler Bürokraten haben Fans.
http://www.rp-online.de/public/article/politik/deutschland/725866/Die-krumme-Gurke-ist-nur-der-Anfang.html

Aktion gegen solche Normen und für den Verzehr von "Sonderlingen" - CulinARyMiSfITs - esst die ganze Ernte  - www.culinarymisfits.de 
(Culinary Misfits in Berlin - Slow Food Magazin Nr.3, 2014; S.24-26) 

Lebensmittelverschwendung bei Erdbeeren: Weggeworfen, weil „zu hässlich“- TAZ 24.09.2019

Wann kaufen Kunden Obst und Gemüse mit Schönheitsmängeln?: BÖLN-Studie der Universität Kassel im Öko-Handel. BZfE News 18.05.2022 ⇒ Studienergebnisse: www.ble.de/Suboptimal-Food -   Abschlussbericht - Download

Hässliches Gemüse - „Dich Rett-ich“ - Gemüseretterbox - www.etepetete-bio.de -- (ref.  „Krumme Geschäfte“ Taz 04.07.2016

Buntzel, R., Marí, F.: Gutes Essen - arme Erzeuger. Wie die Agrarwirtschaft mit Standards die Nahrungsmärkte beherrscht. oekom-Verlag, 2016  (Leseprobe)
Doppelstandards der Lebensmittelkonzerne: Andere Länder, schlechtere Qualität. link bei www.investigate-europe.eu 22.04.2021
Gaberell, L. u.a.: Nestlé macht Babys und Kleinkinder in einkommensärmeren Ländern zuckersüchtig. (Doppelstandard) Public Eye (Schweiz) (April 2024) ⇔ Maurin, J.: Babynahrung in Entwicklungsländern: Nestlé gibt armen Babys Zucker. In Entwicklungsstaaten mischt Nestlé Säuglingsnahrung oft Zucker bei... In Deutschland passiert das nicht. TAZ 19.04.2024

Im Industrialisierungs-Zeitalter wurde (Hand)Arbeit der Menschen (Handwerk) durch Maschinen ersetzt (Technik, Industrie). So gibt es immer weniger individualisierte Produkte - bei Lebensmitteln, in der Kleidung, im Haushalt, in der Musik... - sondern standardisierte, gleichförmige, genormte Produkte. (z.B. schon 1937 von G.Orwell beschrieben in: "Kreativität und Lebensqualität."  link bei www.detopia.de - (download) (auf deutsch erstmalig 1980 in der Zeitschrift <Tintenfaß> Diogenes-Verlag) (Essays von G Orwell bei www.george-orwell.org ) (Orwell, G.: Gerechtigkeit und Freiheit  - Sätze für Zeitgenossen - Gedanken über Selbst­verwirklichung,Kreativität und Lebensqualität. Diogenes-Verlag 1982)

Produktdesignerin Johanna Kleinert über Obst und Gemüse: „Geschmack spielt kaum eine Rolle“. Äpfel für den Handel müssen gut aussehen, transportfähig und nicht zu klein sein. Sie sind gestaltet wie Produkte, sagt Designerwissenschaftlerin Johanna Kleinert. TAZ 28.02.2021 - Biofakt ist ein Begriff aus der Technikphilosophie, er stammt von Nicole Karafyllis.
J Kleinert:  Lebendige Produkte - Obst und Gemüse als gestaltete Dinge.  transcript-Verlag, Bielefeld 2020

Kunstprojekt von Uli Westphal: "Mutatoes" - "The Mutato-Archive is a photographic collection of non-standard fruits, roots and vegetables, displaying a dazzling variety of forms, colors and textures."