Soziale Organisation der Ernährungsversorgung – Lebensmittelhandel

Der Handel übernimmt die Funktionen des Austausches (Ankauf, Wiederverkauf), Vermittelns (Kommunikation; Informationen; Qualität, Preise, usw.) und Transports zwischen Produktionsorten (der Lebensmittel) bis hin zum Verbraucher (Konsumenten). Die Nahrungskette, die beim Anbau- und Produktionsorten beginnt muss zu den Lebensräumen der Verbraucher hingeführt werden. Dabei hat der Handel die Funktion des Verteilens  der Lebensmittel über Raum und die Zeit (Lager- und Vorratshaltung)

Der Handel, d.h. der Tausch von Gütern (und Dienstleistungen) zwischen Menschen, wobei der "(Tausch")Wert durch das Geld des Verbrauchers erbracht wird, hat eine lange und vielfältige Geschichte. Der Lebensmittelhandel ist ein wichtiger Teil der gesamten (globalen) Handelsbeziehungen und findet auf allen Ebenen statt, von globalen bis „runter“ zum lokalen Handel (Direktvermarktungen). Im Ernährungssystem ist er mit vielen weiteren Bereichen verbunden, und die Entwicklungen waren und sind bestimmt durch die Innovationen in der Lebensmittel- und Verpackungstechnologie; des Transport- und Logistikwesens und der Informationstechnologie (z.B. RFID und Rückverfolgbarkeit).

Ähnlich wie bei der Lebensmittelproduktion, so sind im Lebensmittelhandel weitreichende Struktur-Veränderungen zu beobachten (Geschichte des Handels). Die kleinen „Dorfläden“ (Tante Emma; Greissler) verschwinden (Probleme in der Nahversorgung - Nahrungswüste) und die großen (Hyper)Supermärkte (Malls) werden immer größer. Hierfür  war der Schritt vom Beratungsintensiven persönlichen) Verkaufsgespräch (Warenkunde) (Personal-Bildung ⇒ Warenkunde) an einer Ladentheke hin zur Selbstbedienung, wobei die Verpackung die Informationsfunktionen übernimmt,  sehr bedeutend. Die Konzentration im Lebensmittelhandel ist größer als im Bereich der Produktion (Agribusiness) (Glossar).  Die Umsatzzahlen des Lebensmittelhandels sind von beeindruckenden Größenordnungen  (Gesundheitsmarkt; Gesundheitswirtschaft; Umsatz der Automobilindustrie). Weltweit und national bestimmen die großen Handelsketten im hohem Maße den Lebensmittelmarkt. So haben die Einkäufer der Handelskonzerne Schlüsselrollen in der Nahrungskette; sie haben Trichter- bzw. Filter-Funktionen.

An den Orten des Lebensmittelhandels erwerben die verschiedenen Menschen (Verbrauchertypen) die Lebensmittel, an diesem Punkt (POS - point of sale) haben die meisten Verbraucher in unserer Gesellschaft den ersten realen Kontakt zu dem,  was sie wenig später verspeisen. Viele kennen nicht den langen Weg (Food Miles), den eine Vielzahl der angebotenen Lebensmittel hintersich haben.

Die Strukturen des Lebensmittel-Handels ordnen sich auf zwei Stufen. Es gibt Lebensmittelgroßhandel und den –einzelhandel. Der Großhandel setzt größere Einheiten mit weniger Personal um, als der immer noch-recht personal intensive Lebensmitteleinzelhandel (LEH), hier  sind ca 700.000 Pesonen in Deutschland beschäftigt; Destatis-Angabe 2008).  Das Fachwissen (Warenkunde) vom LEH-Personal wird immer spezieller und in diesen Bereichen (z.B. Einkäufer und Fachverkäufer) wird rationalisiert und konzentriert; der Anteil von Teilzeit- und Aushilfsarbeiten wird größer (soziale Bewertung)

Die verschiedenen Betriebsformen des Lebensmittel-Einzelhandels sind nach Grösse der Verkaufsfläche, Waren- und Sortimentsgestaltungm sowie Preisstrategien zu klassifizieren:

Dazu kommen noch Warenhäuser und große Verbrauchermärkte, die Lebensmittelabteilungen haben.

Die Lage der Geschäfte (Gemeinde) ist auch charakterisitisch für die Geschäftformen; kleinere Lebensmittelgeschäfte sind eher im Ortskern (City), Discounter in Cityrandlagen und Verbrauchermärkte am Stadtrand (bzw. auf der „grünen Wiese“).

Die Fachgeschäfte gehörten ursprünglich ausschliesslich zum Ernährungshandwerk; d.h. sie – die Handwerker (Bäcker, Konditoren; Metzger) - verkauften, was sie produzierten. Hier zeigen sich ebenfalls deutliche Veränderungen; nur geringe Teile des Angebots in den Fachgeschäften sind selbst produziert. Die Produktion konzentriert sich, und viele Fachgeschäfte sind reine Verkaufsfilialen. Auch in den anderen Vertriebsformen des Lebensmitteleinzelhandels gibt es kaum noch unabhängig Selbstständige.

Die Zahl der Lebensmitteleinzelgeschäfte sinkt beständig. Der Trend scheint sich unvermindert fortzusetzen. Es gab 1960 über 150.000 Lebensmittelläden, heute sind es noch 50.000. Die Verkaufsflächen nehmen zu, die einzelnen LEH-Betriebe werden immer größer, die Sortimentsbreite, die Artikelzahlen steigen. Die fünf größten Lebensmittelhandelsunternehmen in Deutschland haben einen Umsatzanteil von 70 %  Ein Ende des Konzentrations- und Wachstumsprozesses ist nicht zu erkennen.
Je nach Lebensmittelgruppe sieht die Entwicklung etwas differenziert aus; aber immer ist der Trend, weg vom Einzelnhändler hin zur Kette, dominierend. 
Die Grenzen der Selbstbedienung liegen in der Natur (d.h. den Eigenschaften von Lebensmitteln) der Sache. Lebensmittel, die frisch nachgefragt werden und deren Haltbarkeit begrenzt ist, können nicht oder nur sehr begrenzt verpackt angeboten werden. Dazu eignen sich dann besser Fachgeschäfte (wie Bäckereien, Fleischerein, Fischfachgeschäft, usw.) bzw. „Frische-Theken“ mit Bedienung (oder „Shop im Shop“; im Super- bzw. Verbrauchermarkt) (OLT TAB).

Neben diesen Haupttrends gibt es eine Vielzahl von differenzierten Entwicklungen; denn am POS entscheiden sich die verschieden Menschentypen je nach Produkt und Situation anders. Das effiziente Handelsmarketing hat viele Ansatzpunkte ("human touchpoints") identifiziert bei denen Lebensmittel erworben werden. Die Handelsunternehmen haben wirkungsvolle Interessenvertretungen (Lobbyarbeit), die sich an relevanten gesellschaftlichen Diskussionen beteiligen. Der zunehmenden Mobilität und Flexibilität,  der Wertewandel; die Ladenöffnungszeiten; die individuelle Freiheit zur schnellen (Fast and Instant)  Befriedigung der (Essens)Wünsche, sind Triebkräfte (drivers) für Veränderungen. Während früher Essensregeln der Kontrolle der  unsicheren Nahrungsreserven dienten, ist heute  die "Freisetzung" und "Zügellosigkeit" der "Nahrungsinstinkte" ein Marketingziel.

Es entstehen immer mehr Nahrungswege zu den Verbrauchern. So gibt es in der City und bei allen "Events" bei denen viele Menschen zusammenkommen viele "Outlets" (Sonderverkaufstellen) für Lebensmittel (Gastronomie). In diesen "Räumen" gibt es praktisch keine "essfreie Zonen" mehr.
Neben diesen "Fast" und "Food-to-go"-Trends (Tankstellenshops; Verkaufsautomaten - Vending) gibt es Gegenbewegungen (slow) und alternative (bisher noch) Nischen. Das sind "edle Tante Emma-Läden" bis hin zu Gourmet-Shops und die Zustelldienste.
Die Ernährungswende - hin zum ökologischen Landbau - führt zu positiven Entwicklungen in Bereich der Direktvermarktung und der Bioläden.
Am anderen Rand der Gesellschaft gibt es "Sonderverkaufstellen"  für Bedürftige -z.B. die "Tafeln" (www.tafel.de ) (Sozial-Läden) (Weltladen - fairer Handel; soziale Werte)

Neue Vertriebswege eröffnen sich durch die Entwicklungen in der Informationstechnologie. Zwar ist der "eCommerce" für Lebensmittel etwas schwieriger, doch machbar. Bei der Ausführung der Bestellung (Händler – Produzent – Lieferant) wird zwar auch eCommerce eingesetzt (von „business“ zu „business“ – „b2b“), doch Lebensmittel müssen „physisch“ frisch und pünktlich geliefert werden (Logistik).  Es wird auch zu Kombinationen zwischen den verschiedenen Formen des Lebensmittelverkaufs, wobei auch das neue Medium zur Verbraucherinformation eingesetzt werden wird. So kann im Lebensmitteleinzelhandel, das Sortiment durch elektronische Terminals und Informationsangebote ergänzt werden. So könnte ein „virtueller Tante-Emma-Laden“ entstehen, bei dem der Verbraucher sich über das Angebot kompetent informieren kann. (VL 22)

Im Lebensmittelhandel wird die Konzentrationswelle vermutlich weiter anhalten. Ein Ergebnis dieses Trends könnte sein, daß in wenigen Jahren eine Handvoll global agierender Handelsunternehmen den Großteil des europäischen Nahrungsmittelumsatzes unter sich ausmachen. Die Veränderungen (Übernahmen von Marktketten durch andere, usw) sind sehr dynamisch. Was vor 10 Jahren war  ist heute bereits Geschichte.

Dieser Konzentrationsprozess wir zu Kosten der Nahversorgung gehen. Viele Gemeinden sind bereits heute ohne Lebensmittelgeschäft (food deserts)

Weitere Informationen: (Dimension - Lebensmittel - Verteilung)
TOP 30 im LEH 2011 (Lebensmittel-Zeitung)
(in Mrd €)   Edeka                - 45,3 - Food - 40,9   (Edeka)
                 Rewe                 - 37,5 - Food -26,9    (REWE)
                 Metro (Real..)     - 30,2 - Food-11,7      (Metro)
                 Schwarz (LIDL) - 28,4 - Food-23,0       (LIDL)
                 Aldi                  - 24,5 - Food-20,0       (ALDI)

Trends im Handel 2020 - KPMG-Studie - download

Europäisches Handelsinstitut (EHI), Köln -  - http://www.ehi.org/

- KPMG / EHI – Marktanalyse 2010

  http://www.lebensmittelhandel-bvl.de/

Handel in Österreich - KMU Forschung Austria - Publiationsreihe: "Der österreichische Handel  - Daten - Fakten - Analysen" jährlich - (Beispiel (KMU 2005) -

Direktvermarktung in Österreich (Reader zum BOKU-Seminar)
Rückverfolgbarkeit von Bioprodukten in Österreich (Vortrags-Charts)

Grievink - The Changing Face -  OECD-Conference 2003

OLT218 133; Sonderverkaufswege OLT218-1332 ; OLT218 - 143 OLT218_1433 (Situation 2000)

Lebensmitteleinzelhandel - wikipedia -   Grocery Store (wiki)

Handel- und Konsumtrends in Österreich (Nielsen-Daten) - Übersicht für 2007 / 2008 / 2009 /