Soziale Organisation der Ernährungsversorgung – Verbraucherorganisationen

Hinsichtlich der Ernährung sind ausnahmslos alle Menschen Verbraucher (von Lebensmittel) (Grundbedürfnis). Im Sinne der (Ernährungs)Wirtschaft sind es diejenigen die monetär Lebensmittel erwerben; d.h. Verbraucher sind  die „Gegenspieler“  der  Anbieter auf dem Ernährungsmarkt. In dieser "Fach-Sicht" sind Menschen, die kein Geld haben, auch keine Verbraucher.

Es gibt viele verschiedene Verbraucher (siehe VL7 bis  VL14) (Dimension Menschen). Sie alle handeln und verbrauchen im Rahmen von Haushalten; und das ist wahrlich "multitasking" (CHART).  Der Verbrauch stellt die Antriebskräfte für die Produktion von Lebensmitteln und den anderen Wirtschaftsgütern dar. Private Haushalte sind zentraler Teil des Ressourcen-Kreislaufs. Verbraucherverhalten ist für die gesellschaftliche Entwicklung sehr bedeutsam; entsprechende Verbraucherverhaltensforschung ist sehr wichtig, wird aber selten in der Gesamtheit erfasst, sondern meist in Teilen; ein Teil davon ist die  Ernährungsverhaltensforschung.

Moderne Haushaltsführung stellt  modernes ganzheitliches Systemmanagement dar. Diese bedeutsame Verbraucherbildung bzw. -kompetenz war in früheren Zeiten bei haushaltsführende Person vorhanden. Die Mutter lernte die Tochter an und zur Optimierung besuchte die angehende Hausfrau eine entsprechende höhere Hauswirtschaftsschule.

Zu den idealen Zielen der gesellschaftlichen Entwicklung zählt die allgemeine politische Bildung. Zum Leitbild von souveränen und verantwortungsbewussten (Bildungs)Bürger gehört, dass man die verschiedenen Bedürfnisse und Ziele benennt und diskutiert, wie diese zu erreichen sind. Dazu gibt es die verschiedenen Formen der sozialen Organisationen, wie Vereine, Initiativen, Genossenschaften und Parteien (soziale Netze).  Darüberhinaus werden (Volks)Vertreter in die (Gemeinde)Räte und Parlamente gewählt.  Die Ernährungsanbieter sind gut organisiert, um ihre Interessen zu vertreten (Liste; Lobby).

Die Verbraucherinteressen werden einerseits durch staatliche Stellen (Ministerien; Ämter) vertreten. Das sind umfangreiche Aufgaben (BMELV 2008) (s. auch Ernährungspolitik). Dazu gibt es staatlich geförderte Verbraucherorganisationen und nicht-staatliche. Zwar gab es schon zu Ende des 19.Jahrhunderts erste Verbraucherverbände, das waren die Konsum-Genossenschaften. Umfassend agierende Verbraucher-Organisationen haben eine recht junge Geschichte. Die Verbraucherpolitik (mit der Schutz des Verbrauchers; Verbraucherrechte) im heutigen Sinne beginnt Anfang der 1960iger Jahre in den USA (Ralph Nader; Präsident JF Kennedy).  Die Politik wird in repräsentativen Demokratien durch die gewählten Vertreter bestimmt; die Abgeordneten entstammen fast vollständig aus politischen Partein. Die Parteiprograme enthalten kaum Verbraucher-  und Ernährungspolitische Ziele. In Deutschland ist die Verbraucher- und Ernährungspolitik noch unterentwickelt. Das trifft auch für die entsprechende Forschung zu.

So wie zur Verbesserung der allgemeine Bildung die Schulpflicht eingeführt wurde (ca 1870), so muss für die Zukunft überlegt werden, wie Verbraucherbildung verbessert wird. Heute zeigen sich deutliche Defizite in Grundkompetenzen zur rationellen Haushaltsführung (Ernährungsziele - Gesundheit + Nachhaltigkeit).    Es zeigt sich, dass immer weniger Verbraucher Kenntnisse und eigene Erfahrung mit den Lebensmittel und mit der Ernährung haben (link: IGLO-Forum Studie „Kochen in Deutschland“, Hamburg, 1995; Ilona Berg: Kochalltag in Deutschland. Ernährungslehre und –praxis, Okt. 1997; S.B37-B39; Die Kompetenz der Verbraucher in Sachen Ernährung – (k)ein Problem der Gesellschaft; aid special, 3412/1997 (BFE-IÖS-Tagung) (NVSII-Ergebnisse; S. 105   ). Anstelle der eigenen Orientierung tritt die von aussenkommende und diese ist sehr vielfältig, unübersichtlich und widersprüchlich und führt bisher nicht ausreichend zu wünschenswerten Handlungen.  Erkenntnisse zeigen, Alltagshandeln kann nicht nur über einen Sinn bzw. einen „Kommunikationskanal“ gebildet werden. Essen ein gutes Beispiel dafür, dass hier alle Sinne angesprochen werden, und auch integriert genutzt werden sollten. Heute wählen wir die Lebensmittel kaum noch mit den Nahsinnen aus (tasten, riechen, schmecken), sondern wir beurteilen sie mit den Fernsinnen. Wir hören, sehen (audio-visuell) und lesen  was auf der Verpackung steht; in Bücher, im Fernsehen; erinnern uns an Werbung, und entscheiden danach. Die Lebensmittel als Produkt der Natur mit all ihren zeitlichen und räumlichen Beziehungen sind für sehr viele Verbraucher fremd; für sie stammen Lebensmittel aus dem Supermarkt und sind eine Ware, die nicht mehr Wert hat, als andere Konsumartikel auch.

In solchen Situation der zunehmende Fremdorientierung wird es wichtiger, Ernährungsbildung zu betreiben. Diese kann durch staatlich geförderte Verbraucher-orientierte Angebote erfolgen, ebenso können privat-wirtschaftliche Dienstleister hier tätig werden. Diese Aufgabe wurde bereits 1988 im Ernährungsbericht (Kap. 5 des EB 1988) als ungenügend und verbesserungsnotwendig charakterisiert. Seit dem hat sich die Situation eher verschlechtert als verbessert. So beklagte 1993 der damalige Präsident der DGE 1993, dass die DGE für ihre Aufgaben vom Staat jährlich 6 Pfennige pro Verbraucher erhält (ähnliches gilt für Verbraucherzentralen) während Werbeanteil für 24DM/Kopf/Jahr bereitstanden.

Neben dieser mengen-mäßig unzureichenden Förderung, gibt es auch strukturelle Schwächen, z.B. im Gesundheitsbereich, bei kaum einen Gesundheitsamt spielt der Aspekt der Prävention durch Ernährungsverhalten eine wesentliche Rolle. In immer mehr Unterrichtsplänen wird der Bereich „Ernährung und Haushalt“ gekürzt; wobei dies besonders für das „Essen“ gilt; weniger für Ernährungsphysiologie (Lebensmittel und Nährstoffe).

Die Aktivitäten der staatlichen Institutionen zeigen im Detail viele gute Ansätze; doch neben dem insgesamt zu geringem Umfang, fehlt es auch an Koordination und Kooperation. Diese Ansätze bedürfen einer Förderung, dazu wäre anfangs viele Netzwerk-Arbeit (Austausch von Informationen, Erfahrungen, Termine, etc.) in diese müssten auch weitere passende Aktivitäten eingeschlossen werden:

  • freiberufliche Ernährungsberater (z.B. via Berufsverbänden VDOe, QUETHEB) (auch zur Unterstüzung der vielen Internetangebote; Entwicklung zu Internet-Coaching)
  • freien Verbraucherintiativen, einschliesslich solcher die mittelbar auch mit Ernährung zu tun haben (Aktion Gesunde Städte; Lokale Agenda, etc)
  • Aktivitäten der Volkshochschulen.  

Diese Koordination sollte auch den kommerziellen Bereich einschliessen; denn schliesslich muss Veränderung der Nachfrage nach Lebensmitteln, gemäss vereinbarten Ernährungszielen, von allen Marktbeteiligten getragen werden. Wichtige Träger von Verbraucherbildung (zur Vermeidung von ernährungsabhängiger Krankheiten) sind die Krankenkassen; die unterschiedliche Aktivitäten zeigen. Allgemein sind gute Ansätze zu registrien, wie www.5amtag.de und Platform "Ernährung und Bewegung" (www.ernaehrung-und-bewegung.de). Wichtig ist, dass die gesellschaftliche, politische Diskussion zur Verbraucherbildung in allen Parteien und gesellschaftlich relevanten Grupperierungen (euinschliesslich der Medien) ernsthaft beginnt, und daraus ein poltischer Aktionsplan Ernährung (Prävention - Gesundheit - Nachhaltigkeit) durchgeführt wird ( Ernährungsprogramme).

Ernährungsbildung braucht staatliche Regelungen, dass der Berufsstand der Ernährungsberater (private Dienstleister für Verbraucher) qualitativ (z.B. Schutz und Auflage eines Qualitätsstandards) und materiell (Honorare) besser abgesichert sind. Die Vorschriften zur Nahrungsicherung müssen durch solcher der Ernährungsicherung ergänzt werden; z.B. sollte die Landwirtschaftliche-, Markt- und Gesundheitsberichterstattung durch eine moderne Ernährungsberichterstattung (aus der Sicht der Verbraucher) ergänzt werden

Solche Verbraucherbildung ist Aufgabe von allen gesellschaftlichen Gruppen, auch den Anbietern, doch die Gesellschaft muss ordnungspolitische Regeln aufstellen. Lesenlernen wird auch nicht nur Medien überlassen; im weiten Feld von leichter bis anspruchsvoller Kultur versuchen Kulturbeauftragte Orientierung zu geben. Im Bereich der Ernährung und dem Essen – in der Spanne von „junk und fast food“ bis zu „Gourmet-Qualität“ – haben auch „Ernährungsbeauftragte“ gesellschaftlich wertvolle Aufgaben zu erfüllen (Ernährungskultur).

Neben der staatlich-gestützten- und -organisierten Vertretung der Verbraucherinteressen, gab und gibt es weitere Verbraucher-Initiativen. Es gibt z.B. neue Formen von Verbraucher-Genossenschaften (bezug - Geschichte und Entwicklung des Genossenschaftswesens - Erzeuger-Genossenschaften; Landwirtschaftl. Genossenschaften und Konsum-(Verbraucher-)Genossenschaften; der "Konsum" bzw. die "Coop" ist von Handelsriesen "geschluckt" worden, die z.T auch als Verbände von kleinen Händler begannen, wie Coop und EDEKA.) Es gibt in einigen ländlichen Gemeinden Bürgerinitiativen, die z.B. genossenschaftlich organisiert Dorfläden einrichten (Infos). Andere Initiativen fordern mehr "food democracy", d.h. mehr Mitsprache hinsichtlich der Lebensmittelproduktionsweise und des Lebensmittelangebotes (s. auch Ernährungswende) (Bioläden).

Hinweise zu Alternative Verbraucher-Aktivtitäten (NGOs)
- Die Verbraucher-Initiative -  http://www.verbraucher.org/
- Food Watch -   www.foodwatch.de/ - darunter auch - www.burgerbewegung.de/
- International - www.makeitfair.org/

Bürgerbewegungen (Friedensbewegung) / Bürgerinitiativen / Bürgerbeteilungen (PHN - Community Nutrition)

Selbsthilfegruppen http://www.dag-selbsthilfegruppen.de/site/

 

weitere Informationen

OLT218_Kap1353

Rolf Becker: Bildung und Lebenserwartung in Deutschland; Zeitschrift für Soziologie, 27(2) 133-150 (1998)).

http://de.wikipedia.org/wiki/Konsumgenossenschaft