Praktische Hinweise zur Organisation und Durchführung von ernährungsepidemiologischen Studien (Kap.4) - OLT134

Alle Überlegungen zum Einsatz der verschiedenen Methoden der Ernährungsepidemiologie münden in der praktischen Umsetzung. Zur Organisation und Durchführung solcher Studien werden hier einge Hinweise gegeben. (siehe auch Logistik - Organisationswissenschaften)

Dazu muss der lange gedankliche Vorbereitungsprozess, der von der Festlegung der Forschungsziele ausgeht (Abb.15) und über Bildung eines Untersuchungs-Modells, der Auswahl des Studien-Designs, der Stichprobe und der verwendeten Methoden fortgeführt wird, nun in mehr praktische Überlegungen einmünden. Es gilt, die für den Untersuchungsplan notwendigen praktischen Anforderungen zusammenzustellen und zeitlich zu ordnen. Jede nur denkbare Aufgabe bzw. Aktivität muss aufgelistet werden (s. Beispiel in Abb.50). Jede Aufgabe braucht
- Zeit (minimalen und maximalen Zeitaufwand abschätzen) und hat Termine,
- Sachmittel (Arbeitsmittel, Geräte, Raum bzw. Untersuchungsort),
- Personalmittel, daraus berechnet sich die notwendige Kapazität und es sind entsprechende
- finanzielle Kosten dafür erforderlich.

Aus einem solchen ersten Überblick ergibt sich der allgemeine Anforderungsrahmen für die geplante ernährungsepidemiologische Studie; wobei man quasi automatisch das Gewünschte mit dem Vorhandenen vergleicht. In den allermeisten Fällen möchte man mehr als man hat; so steht an erster Stelle der praktischen Vorbereitung die Einwerbung von Mitteln, um die Studie durchführen zu können. Parallel damit kann auch im Rahmen des zyklischen Planens (Abb.15), die Einschränkung des ersten Forschungsplanes einhergehen.

Aus der Übersicht der erforderlichen Aktivitäten (Abb.50) ergibt sich der Bedarf an Personal (Anzahl, Aufgaben, Qualifikation, Arbeitszeit, usw.) und an Mitteln (Geräte, Fragebögen, Räumlichkeiten, usw.) (Abb.51). All dies muss beschafft, erstellt bzw. vorbereitet werden und darüber hinaus muss es in eine logische zeitliche Reihenfolge gebracht werden, so lassen sich schnell für den Ablauf kritische und wichtige Planungs- und Vorbereitungsschritte (z. B. "critical path method") erkennen.

Abb.50 Erforderliche Aktivitäten im Verlauf einer (fiktiven) Ernährungserhebung (Sichert, Oltersdorf et al. 1984) (=Abb594 - OLT134M)  (=Abb.74 _ AGEV-Band)
Abb.51 Beispiel einer Personalliste für eine (fiktive) Ernährungserhebung (Sichert, Oltersdorf et al. 1984) (=Abb595 - OLT134M)

Das - meist interdisziplinär zusammengesetzte - Untersuchungs-Team muss aufgebaut und geschult werden. Neben der Einweisung in die jeweilige Spezialaufgabe gilt es auch den gesamten Erhebungs-Ablauf ("flow of examination") vorzubereiten. Dabei darf die Bereitstellung entsprechender Untersuchungs- und Arbeitsräume nicht außeracht gelassen werden.

Es liegt in der Natur der Sache von ernährungsepidemiologischen Studien, dass ihr Gelingen von der Mitarbeit einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (Stichprobe) abhängt. So ist dieses Zusammenarbeiten zwischen Studiengruppe und Bevölkerung durch entsprechendes Organisieren ("public relation") sicherzustellen.

Zwar werden erst Informationen gesammelt und dann werden diese Daten verarbeitet; doch man muss diese wichtige Aufgabe schon in der Vorbereitungsphase organisieren; durch entsprechende Berücksichtigungen bei der Fragebogen-Erstellung, durch entsprechende Dateneingabe-Geräte, durch Einstellung von entsprechendem Personal, usw.

Der geplante vollständige Ablauf - der Fluss der Untersuchung, das Zusammenspiel zwischen dem Untersuchungsteam und der Bevölkerung - kann zwar durchdacht werden, doch in der Regel ist eine praktische Vorübung - die Pilot-Studie - angebracht, die Theorie mit der Praxis abzustimmen. (Abb. 596 - OLT134M)

Wenn dann die Studie endlich durchgeführt wird, muss der gesamte Ablauf entsprechend den Zielvorstellungen kontrolliert werden. Man kann aus dieser einleitenden Übersicht erkennen, dass die Vorbereitungsphase von ernährungsepidemiologischen Studien (Schreibtisch-Arbeit) eine wesentlich größeren Zeitumfang hat, als die eigentliche Erhebungsphase, die "Feldphase" genannt wird. Nach der Arbeit "im Feld" folgt die Nachbereitungszeit, die Auswertung und Publikation der gesammelten Daten; auch diese ist in der Regel länger als die eigentliche Erhebungszeit (Abb. 52). So ist die Faustregel "ein Tag im Feld bedeutet 10 Tag Arbeit am Schreibtisch", eher eine Unter- als eine Überschätzung.

Weiterhin ist zu betonen, dass die Organisation und Durchführung der ernährungs-epidemiologischen Studien von dem Einsatz von entsprechenden Spezialkenntnissen und -erfahrungen geprägt wird. Analog wie bei den jeweiligen Methoden-Kapiteln muss auch hier immer wieder auf die notwendige Zusammenarbeit mit entsprechenden Fachleuten hingewiesen werden. Für die Geschäftsführung einer ernährungsepidemiologischen Studiengruppe ist das Wissen von Organisationslehre, Planungswissenschaften, Menschenführung, Buchführung, Management-Techniken, usw. notwendig; das durch Einbindung entsprechend ausgebildeten Personals in das Untersuchungs-Team organisiert werden muss (Frese 1987; Potthoff 1978; Staehle 1985).

Abb.52 Die prinzipiellen Zeitphasen bei ernährungsepidemiologischen Studien (=Abb.597 -OLT134M)

Im folgenden können zwar einige weitere praktische Hinweise für die skizzierten Vorbereitungs- und Durchführungsphasen gegeben werden - wobei die Planung von Feldstudien im Mittelpunkt steht; doch sollen diese mehr als exemplarische Hinweise, denn als fertige Rezepte angesehen werden.

Die Forschungsrealität - nicht nur für ernährungsepidemiologische Studien, doch hier verstärkt bedingt durch relativ hohe Kosten und dem interdisziplinären Arbeitsansatz - zeigt, dass aus den normalen Mitteln eines Forschungsinstitutes meist keine Studien durchzuführen sind. Die kargen Mittel reichen nicht einmal für eine kostendeckende Planungsarbeit aus. Auch Planung kostet Geld, das betrifft z. B. Literatur-Recherchen, Zusammenkünfte einer Arbeitsgruppe, Reisegelder, Vorabsprachen mit potentiellen Studienpopulationen, usw. So wird in unserer Forschungsrealität versucht, die Planungs-Investitions-Kosten aus "anderen Töpfen" - einschließlich von Privatmitteln - vorzuschießen, und sie dann nach der erhofften Bewilligung aus dem Projektgeld wieder zurückzuerhalten. So ist eine wichtige Vorbereitungsaufgabe die Einwerbung von Forschungsmitteln.

Das Untersuchungs-Team für eine geplante ernährungsepidemiologische Studie muss vorbereitet werden. Die Mitarbeiter brauchen Arbeitsplätze, die entsprechend den Projektanforderungen ausgestattet sein müssen. Dies gehört meist zur Grundausstattung, d.h. es sollte vorhanden sein. Doch für bestimmte Projektorganisations-Formen - vor allem bei Untersuchungen im Feld - müssen diese Mittel organisiert werden. Das bedeutet z. B.
- Anmietung von Räumlichkeiten (für bestimmte Zeiträume);
- Ausstattung der Arbeitsräume (Mobiliar; Kommunikationseinrichtungen, Datenverarbeitungs-geräte, Datenschutz-Schränke, Sozialräume, Besprechungsräume, usw.);
- Ausstattung der Untersuchungsräume; gegebenenfalls mobile Untersuchungseinrichtungen.

Das Untersuchungsteam muss bei mobilen Feldeinsätzen untergebracht werden; auch dazu müssen gemäß des Einsatzplanes entsprechende Räumlichkeiten angemietet werden; bzw. es müssen mobile Unterbringungsmöglichkeiten beschafft werden, wie z. B. Wohnwagen oder Zelte. Man muss auch die Versorgung der Mitarbeiter organisieren, das betrifft z. B. Nahrung, Wasser und ärztliche Versorgung. Man muss also gegebenenfalls Lebensmittel mitnehmen, aber auch einen Notarzt-Koffer, Camping-Ausrüstung, Tische, Stühle, Heizmaterial, Stromversorgung, Funkgeräte, usw. Ebenso muss an die Entsorgung gedacht werden: Toiletten, Abfallbeseitigung, usw.

Für den Transport von Personen, von Untersuchungsgeräten und -material und zur allgemeinen Kommunikation müssen entsprechende Vorkehrung geschaffen werden, z. B. durch Mietwagen bzw. den Kauf von Fahrzeugen. Man muss bedenken, dass man manche Orte nur zu Fuß erreichen kann. So muss beim Transport bzw. bei der Verpackung an die Tragfähigkeit gedacht werden.

Für die eigentliche Arbeit in ernährungsepidemiologischen Projekten werden eine Reihe von Mitteln benötigt, die sich aus den Untersuchungsbereichen (Abb.50) unmittelbar ergeben (Abb 599 OLT134M). Das sind praktisch immer Mittel zur Erstellung der Erhebungsbögen (wie Papier, Schreibmaschinen, Drucker, usw.). Dazu kommen spezielle Untersuchungsmaterialien der verschiedenen Erhebungs-Methoden-Bereiche. Bei der Erfassung der Nahrungsaufnahme bzw. des Ernährungsverhaltens sind es z. B.:
- verschiedene Waagen
- Haushaltsmaße, Schablonen ("visual aids").
Bei der Erfassung der körperlichen Aktivität können dies z. B. folgendes sein:
- Schrittzähler (Pedometer), Pulsraten-Messer.
Für klinische Untersuchungen können benötigt werden:
- Stethoskop, Augenspiegel, usw.,
- Fotoapparat (am besten Sofortbildkamera) (z. B. zum Dokumentieren von besonderen klinischen Zeichen),
- Holzspatel (z. B. zur Inspektion des Rachenraumes), Maßband, usw.
- Notfall-Koffer (Pflaster, Binden, Desinfektionsmittel, Grundausstattung an Arzneimittel, usw.)
Für anthropometrische Messungen können folgende Geräte benötigt werden:
- verschiedene Waagen,
- Geräte zur Messung der Körperhöhe bzw. von Längenmassen (Messlatte, Anthropometer, usw.),
- Maßbänder für Umfangsmessungen,
- Geräte zur Messungen von Ausdehnungen, vor allem der Hautfalte (Kaliper, Messzirkel, usw.).

Der Bereich der biochemischen Kenngrößen kann sehr umfangreiche Materialanforderungen stellen. Generell werden für die Gewinnung der Proben Geräte (Kanülen, usw.), Probenbehälter und Markierungsmaterial benötigt. Man braucht für die anfallenden Blut- und Harnproben weitere Behälter (zum sicheren Transport; Schutz gegen mechanische, optische, klimatische Einflüsse), Lagerungseinrichtungen (Kühlboxen, Kühlschränke und -truhen). Die Proben müssen meist im Feld etwas aufbereitet werden, z. B. Zusatz von Stabilisatoren, Gerinnungshemmer, usw.; man benötigt Messgeräte (Pipetten, Messzylinder, usw.), Geräte zum Trennen (wie z. B. Zentrifugen), usw. Für die einzelnen geplanten Bestimmungen werden verschiedene Laborchemikalien, Laborhilfsmittel (Reagenzgläser, Küvetten, Bechergläser, Ständer, usw.) und Messapparate benötigt. Man muss daran denken, dass Geräte kontrolliert werden müssen (z. B. Eichung von Waagen, Photometern, usw.) , und dass etwas kaputt gehen kann. An entsprechende Reparaturmöglichkeiten muss ebenso gedacht werden, wie an Ersatzbeschaffung.

Bei der Planung muss an mögliche Ausfälle gedacht werden; man sollte einen Notfall-Einsatzplan haben. Als wichtiges Hilfsmittel dafür, dass man an alles denkt bzw. nichts vergisst, erweisen sich für die verschiedenen Bereiche entsprechende "check listen" - a la "Kofferpacklisten".(Abb 601 - OLT134b)

Auch an Materialien für den allgemeinen Bedarf sollte gedacht werden; so erweisen sich für Reparaturen verschiedenster Art Werkzeugkasten, "Flickzeuge", usw. als hilfreich.
Zu den Arbeitsmitteln gehört auch, dass man sich entsprechende neue Informationen kauft: Literatur und EDV-Software.

 Der geplante Untersuchungsrahmen bestimmt den Personalbedarf der ernährungsepidemiologischen Studie. An allen Stellen der Methoden-Beschreibungen wurde immer wieder auf das jeweils nötige Spezialwissen hingewiesen. Es ist offensichtlich: Jede ernährungsepidemiologische Studie muss zwangsläufig interdisziplinär angelegt sein, wobei allerdings der Umfang des Personalbedarfs und deren Organisation sehr unterschiedlich sein kann.

So kann im Extremfall ein einzelner Untersucher alleine eine ernährungsepidemiologische Fragestellung bearbeiten; dabei kann er nur eingeschränkte Untersuchungsmodelle und begrenzte Stichprobengrößen erfassen. In dieser kleinsten Form, die eigentlich gar nicht praktiziert werden sollte, in der Wirklichkeit doch oft zu finden ist, versucht der Forscher insich interdisziplinär zu arbeiten; er benützt das Wissen von einigen Fachgebieten. Das kann auf verschiedene Weise angeeignet sein, man studiert die entsprechende Literatur, sucht praktische Erfahrung durch Erlernen bei den entsprechenden Fachleuten. Dies kann sich immer nur auf einige Gebiete beschränken. Auch der Einzel-Forscher wird versuchen, einzelne Aufgabenbereiche durch "Hilfspersonen" bearbeiten zulassen - z. B. im Bereich des Transports, des Schreibens, der Dateneingaben, usw. Er kann auch versuchen, für einzelne Spezialaufgaben das entsprechende Fachwissen "einzukaufen"; er kann "Aufträge an Dritte" vergeben (z. B. für die Stichprobenziehung, die Statistik, die Laboranalysen, die ärztliche Untersuchung, usw.).

Neben hierarchisch von einer Person ausgehenden Untersuchergruppen stehen verschiedene Formen von interdisziplinär arbeiteten Gruppen, die spontan für eine bestimmte Aufgabe entstehen, bzw. solche, die sich langsam aus Einmann-"Teams" entwickeln können. Für ernährungsepidemiologische Studien kommt nur eine Gruppenstruktur in Frage. Dabei ist zu betonen, dass diese Gruppen sehr unterschiedlich zusammengesetzt sein können. Das trifft sowohl die vertikale (verschiedene Fachdisziplinen) als auch die horizontale Ebene (verschiedene Erfahrungshorizonte).

Die Überlegungen zur Organisation eines Untersuchungsteams beginnen mit der Definition der Aufgabenteilung. Im Rahmen der Zielsetzung wird die Gesamtaufgabe in möglichst detaillierte und konkrete Teilaufgaben zerlegt, dann weiß man, was und wen man wozu braucht. Aus den verschiedenen Merkmalen der Aufgaben ergeben sich dann die Anforderungen an das Personal. Dem wissenschaftlichen Forschungsprozess besser angepasst sind Organisations-Strukturen, die mehr einer mitbestimmenden, echten Team-Arbeit entsprechen. Man hat ein vereinbartes (Forschungs-/Studien-)Ziel und sucht gemeinsam nach dem Weg. Man untergliedert in Teilziele - d.h. auch spezielle Problembereiche - und aus der fremdgestellten Aufgabe wird für das jeweilige Team-Mitglied die eigene Entscheidung, wie der eigene Beitrag zur Gesamt-Ziel-Erreichung gestaltet wird. Analog stehen dann nicht Anordnung der Aufgabe, sondern Motivationsarbeit im Team; nicht Disziplinarmaßnahmen, sondern Akzeptanzarbeit zur Organisation an. (Abb.602 - OLT134M) (Abb.603 - Tätigkeitsbeschreibungen - OLT 134M)

In echten interdisziplinären Forschungsgruppen gibt es auch Führung, Leitung und Verantwortung, doch diese müssen durch mitbestimmende partizipatorische Kooperations-Organisations-Strukturen geschaffen werden. Zentrale Steuerung und Management, gemeinsames Arbeiten und Pflichterfüllung im Dienste der Gruppe sind weitere Bereiche, daneben bleibt in den einzelnen Projektbereichen auch selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Arbeiten. So können ernährungsepidemiologische Forschergruppen aus einer flexiblen Organisations-Struktur bestehen, die zentrale Zuordnungen enthält, aber auch einzelne freibestimmte Untergruppen. Die Gruppenmitglieder arbeiten teils für alle, aber auch für ihr Spezialgebiet- bzw. Spezialinteresse. Als Beispiel ist in Abb. 53 eine mögliche Organisations-Struktur aufgezeigt.

Eine Zusammenarbeit von verschiedenen Menschen stellt eine Art von "begrenztem Zusammenleben" dar. Der Mensch lebt im Spannungsfeld zwischen der Bewahrung seiner Eigeninteressen und der Notwendigkeit des Zusammenlebens - der Mensch ist Individuum und ein Sozialwesen. Die Probleme im Zusammenleben sind bekannt - Psychologen und Soziologen untersuchen dies. In Gruppen von verschiedener Herkunft gibt es Sprachprobleme; Interdisziplinarität ist mit Kommunikationsstörungen verbunden. Dies ist genauso organisatorisch aufzufangen, wie das Bemühen gruppen-dynamische Prozesse gut zu lenken.

Abb.53 Organogramm für eine interdisziplinäre Studiengruppe im Rahmen ernährungsepidemiologischer Forschung - der Plan für die Ernährungsmodell-Studie in Gießen (EMSIG) (=Abb604 - OLT134M)

Die Organisation einer Gruppe ist kein einmaliger Vorgang, sondern gehört zu den ständigen, begleitenden Aufgaben von ernährungsepidemiologischen Studien. Die dabei notwendige Bilanz zwischen den vielen innewohnenden Zielkonflikten erfordert neben dem notwendigen Fachwissen auch entsprechendes Einfühlungsvermögen und Glück.

Zur Einübung der Aufgaben der einzelnen Mitarbeiter im Rahmen einer ernährungsepidemiologischen Studie ist es notwendig, dass alle Aufgaben vom inhaltlichen und zeitlichen Aufwand her beschrieben sind. Dazu wird auf die Liste der Aktivitäten zurückgegriffen (Abb.50). Man plant, welche Erfassungsmethoden angewandt werden; in welcher Reihenfolge dies geschieht, wer dies tut, welche Zeit dafür veranschlagt wird, was mit den Informationen geschehen soll. Aus der Vielzahl der Beschreibungen der einzelnen Methoden entsteht für jede Studie ein "Handbuch über die angewandten Methoden".

In jedem Methoden- bzw. Untersuchungsbereich sind spezielle Schulungen vorzunehmen. Es erscheint jedoch auch angebracht, das ganze Team mit allgemein interessierenden Informationen über die geplante Studie zu versorgen. Die Studienziele, die Hintergründe, der Ablaufplan, zu erwartende Probleme, usw. sollten in Ruhe diskutiert werden. Als gut erweisen sich (Wochend)Klausur-Seminare in angenehmener Umgebung (z. B. bei EMSIG - Universitätstagungsstätte Schloss Rauischholzhausen bei Gießen). Damit kann die Identifikation mit dem Projekt allgemein und die Motivation, sich für seine Aufgabe einzusetzen, erhöht werden.

Zu den Hauptbereichen der Mitarbeiter-Schulung zählt bei ernährungsepidemiologischen Studien fast immer eine Interviewer-Schulung, da diese empirische Methode in vielen Untersuchungsbereichen angewendet wird. Die wichtigen Stichpunkte für den Inhalt sind dabei:
- Erläuterungen zur geplanten Studie (Ziele, Hintergrund, Umfang, usw.);
- Erläuterungen zum Erhebungsablauf, dem Fragebogen, den Methoden;
- Hinweise und Anweisungen zur Kontaktaufnahme und Durchführung der eigenen Tätigkeit,
- Verhaltensregeln (dazu z. B. Rollenspiele mit Video-Aufzeichnungen; gegenseitiges Interviewen),
- administrative Fragen (Zahl der Interviews, Untersuchung, Messungen, usw.; Bezahlung, Weitergabe von Informationen, Unterkunft, Verpflegung, usw.).

Es ist zu überlegen, inwieweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche wenigstens andeutungsweise für alle bekannt gemacht werden, damit Verständnis für den jeweiligen Aufgabenbereich geschaffen wird; man etwas deutlicher erfährt, was die betreffenden "Spezialisten" eigentlich alles können müssen, wo sie im Projekt helfen, welche Probleme sie haben usw. Solche "Schnupper-Kurse" bieten sich z. B. im Bereich der EDV an, aber auch einmal in die Rolle eines Studienteilnehmers zu schlüpfen ist lehrreich, wie Erfahrungen aus der EMSIG-Studie zeigten. Zudem hilft es, den Teamgeist zu stärken.

Es soll auch ausführlich darüber gesprochen werden, wie die gegenseitige Information im Projekt organisiert ist; wer wen über was informiert. Solche ernährungsepidemiologischen Studien fußen auf der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Menschen; dies lässt sich nicht vollständig planen. Man muss auf nicht eingeplante Reaktionen und Erscheinungen prinzipiell vorbereitet sein; starres Festhalten am Plan bzw. Konzept kann unangepasst sein. Die Arbeit muss beobachtet werden, Erfahrungen müssen regelmäßig ausgetauscht werden, notwendige Entscheidungen, Änderungen müssen schnell an alle Betroffene weitergegeben werden. Kommunikation braucht Zeit; dies muss mit in der Zeit-Einteilung für alle Mitarbeiter eingeplant werden; so dürfen die eingeplanten Zeiten für die Messungen, die Interviews, usw. nicht zu knapp bemessen werden. Man braucht Zeit zum Nachdenken und Formulieren; man braucht Zeit zum Reden und Diskutieren. Während der Feldphase sollten regelmäßig - z. B. täglich abends - knappe Lagebesprechungen durchgeführt werden. Über auffällige Beobachtungen, Vorkommnisse, usw., über Änderungen an den ursprünglich vereinbarten Verabredungen (einschl. der Begründungen) sollten (schriftliche Akten-)Vermerke vorgenommen werden. Es empfiehlt sich, ein Studien-Tagebuch zu führen.  (Abb.605 - Gruppenverhalten; Abb.606 - Kommunikationsstrukturen - OLT134M)

Das Schulen sollte nicht nur theoretisch erfolgen (z. B. mit Büchern, Bildern und Filmen), sondern es muss ein praktischen Einüben sein. Die Methoden und das Vorgehen muss zwar schriftlich vorliegen (s.o., Methoden-Handbuch der betreffenden Studie), doch die Vorstufe - das Einlesen - in die gestellte Aufgabe, muss durch praktisches Einüben ergänzt werden. Das trifft für alle Bereiche zu - sei es Befragungen, Untersuchungen, Körpermessungen, Laborarbeit, usw. Die Mitarbeiter müssen erfahren haben, was von ihnen erwartet wird, und was sie von anderen wollen. Man sollte sich in die jeweilige Rolle bzw. Situation einfühlen können. Dies kann an dem Beispiel der Ernährungsinterviews bzw. -protokolls verdeutlicht werden. Bei Erinnerungsbefragungen muss man sich erinnern, was man gegessen hat, wie groß die Mengen waren, welche Rezepte verwendet wurden, usw. Bei Ernährungsprotokollen muss man den Vorgang des Essens durch den des Wiegens und Notierens ergänzen bzw. unterbrechen. Hat man dies einmal selbst mitgemacht, weiß man eher wo die Probleme liegen und kann in der Erhebungspraxis besser damit umgehen. Als gute Einübung erwiesen sich in der EMSIG-Praxis gemeinsame Testmahlzeiten für alle Mitarbeiter. Nach den Essen wurden die selbstverzehrten Nahrungsmengen geschätzt, und die Mengen eines Anderen in Interview-Manier abgefragt und dann wurden diese Angaben mit den exakt gewogenen Verzehrsmengen verglichen.

Neben den fachspezifischen Aufgaben gibt es in ernährungsepidemiologischen Studien auch übergreifende Tätigkeiten, die der Projekt-Verwaltung und der Datenverarbeitung; auch dafür braucht man Mitarbeiter, die entsprechend an die Tätigkeiten herangeführt werden müssen.

Als letzter Gesichtspunkt der Organisation des Untersuchungsteams wird auf gruppenspezifische Belange hingewiesen. Diese sind gekoppelt mit dem interdisziplinären Forschungsansatz von ernährungsepidemiologischen Studien. Die dabei notwendigen zwischenmenschlichen Prozessabläufe, die durch Stichworte wie Gruppenarbeit, Kommunikation und vernetztes systemisches Denken angedeutet werden, können zwar nicht total geplant und gesteuert werden; doch man sollte nicht in das andere Extrem verfallen und gar nichts organisatorisch steuern zu wollen, sondern alles der spontanen Eingebung zu überlassen. Für die genannten Anforderungen gibt es Fachleute, insbesondere Psychologen, die in der Studiengruppe auch solche Aufgaben, neben anderen (Abb.53) übernehmen sollten. Dabei erscheint es sinnvoll, nicht erst dann Rat zu suchen, wenn entsprechende Probleme aufgetaucht sind, sondern vorsorglich bei der Organisation bzw. dem Aufbau der Untersuchergruppe an diese Belange zu denken. (Abb.605 - OLT134M)

Es liegt in der Natur der Sache - ohne Studienteilnehmer kann die beste Forschergruppe nicht ihr Studienziel erreichen. Der Nutzen für den Untersuchten ist selten unmittelbar einsichtig, eher ist es lästig, was man alles mit sich machen lassen muss. Die engen Beziehungen zwischen den Forschern und den Menschen wurden lange Zeit nicht entsprechend gewürdigt. Es gibt auch forschungstheoretische Gesichtspunkte - der Forscher soll möglichst objektiv - "kühl" und distanziert - seinen Gegenstand beobachten und beschreiben. Diese Art von Beziehungen zwischen Forscher und Studienteilnehmer sind nicht den Anforderungen angepasst, die an ernährungsepidemiologische Studien angelegt werden müssen. Die Erfahrungen die Menschen mit ihrer Ernährung in ihrer komplexen Lebensumwelt machen, sollen systematisch erfasst werden.

Der hohe Aufwand den entsprechende Untersuchungs-Modelle erfordern, kann nur in Zusammenarbeit zwischen Forschern und Studienteilnehmern geschehen. Dabei treten zweifellos weitere nicht ganz auflösbare Zielkonflikte auf. Der Forscher sollte methodisch sauber arbeiten; er muss versuchen, persönliche Sichtweisen und Beziehungen zu unterdrücken; aber trotzdem wird ein subjektiver Rest bleiben; er muss dies berücksichtigen.

 Die Studienteilnehmer können nur freiwillig eingeworben werden; man kann sie zwar verstärkt zur Teilnahme auffordern (z. B. materielle Entlohnung); doch das Problem der Erfassung der wahren Informationen löst man nicht mit "Bestechung". Es gilt, ihre Teilnahme entsprechen zu schätzen, zu würdigen, und anzuerkennen - deshalb wird hier bewusst eine weniger distanzierte Nennung - nämlich Studienteilnehmer, statt z. B. Proband, benutzt.

In dem Beispiel für ein Organogramm für eine ernährungsepidemiologische Studie wurde die Gemeinde als Bestandteil mit aufgeführt (Abb.53). Das sollte in einem weiteren Sinne verstanden werden, die Grundgesamtheit - nicht nur im Sinne der entsprechenden Stichprobenziehung - stellt die Bevölkerung dar, die von der geplanten ernährungsepidemiologischen Studie Kenntnis haben wird, die davon betroffen sein wird; dazu sind auch Entscheidungsträger und Meinungsführer zu zählen.

Die Forschergruppe, die eine Studie plant, sollte Informationen über die Gemeinde haben, die über das bloße geographische Kennen der Untersuchungsgegend hinausgeht. Dazu zählt auch, welche Interessen die Bevölkerung dem Untersuchungsgegenstand bzw. der Fragestellung gegenüber zeigen wird; welche Ängste bestehen. Die Informationslage kann auf verschiedene Weise verbessert werden; man startet Informations- und Werbe-Kampagnen. Man muss wissen, wer von den Aktivitäten der Studie direkt und indirekt betroffen ist. Man braucht neben formellen Genehmigungen auch informelle Zustimmung und Unterstützung. Man muss ein positives Bild von der Studie und Untersuchungsgruppe aufbauen; die Stimmungslage in der Gemeinde kann zwar nicht absolut gesteuert werden, doch man kann hier durch professionelle Public Relations-Arbeit versuchen, möglichst alle "Verstimmungen" in den Beziehungen zwischen Gemeinde, Studienteilnehmern und Forschergruppe zu vermeiden. Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiger Bestandteil von ernährungsepidemiologischen Studien; hier gilt es, ebenso wie in den anderen mehr methodischen Aufgabenbereichen Fachwissen zu nutzen. Das kostet Zeit und Mittel - doch die beste Wissenschaftsmethode wird nutz- und sinnlos ohne eine echte Teilnahme der Bevölkerung.

Das Image des Forschungsvorhaben wird durch einen einprägsamen und freundlichen Namen geprägt, der eventuell durch ein markantes Symbol (Signet, Logo, Maskottchen, usw.), ein entsprechendes Motto, usw. unterstützt wird. "Bedrohliche" (Krebs-, Herzinfarkt-, usw.) Studien und komplizierte fremde Namen (multizentrische Intervention...) können vielleicht in der Wissenschaftsgemeinde benutzt werden, doch sie lassen sich weniger gut "verkaufen" und "bekannt" machen. Die Erfahrung mit der Ernährungs-Modell-Studie in Giessen - die den Namen EMSIG - erhielt ist dafür ein Beispiel. Selbst viele Personen kannten EMSIG bei Namen, ohne damit natürlich auch zu wissen, was die Studie eigentlich wollte. Viele gute Beispiele gibt es dafür im anglo-amerikanischen Sprachraum: MR.FIT (Multiple Risk Factor Intervention Trial), MONICA (Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Diseases), CHIP (County Health Improvement Program, Pennsylvania), usw.

Weiter sind gezielte Informationen über die geplante Studie bei Meinungsführern der Gemeinde wichtig, dies wird man mit mehr materiellen Organisationsfragen verbinden. Das betrifft die Vorabgenehmigung bei Behörden, Möglichkeit der Anmietung von Räumen (für Untersuchungsstellen, Unterkünfte, usw.); Kooperation mit Ärzten, Arbeitsgebern (z. B. kurzzeitige Freistellung der Studienteilnehmer für Untersuchungszwecke) usw.

Die Öffentlichkeitsarbeit umfasst auch die Erstellung eines entsprechenden Kampagnen-Konzeptes (Informations- und Werbemassnahmen-Paketes), das abgestuft nach den verschiedenen (Ziel-)Gruppen in der Bevölkerung angelegt wird. Zu diesem Konzept gehört auch die Schulung und Einbeziehung der Mitarbeiter in diese Belange; wie z. B. der Umgang mit den Studienteilnehmern und Mitgestaltung der Studien-Instrumente (z. B. Design der Fragebögen; Kleidung /"Uniform" der Mitarbeiter; Logos usw.).

Der eigentliche Aufbau einer Studienteilnehmergruppe beginnt mit der Entscheidung, wie die Stichprobe zusammengesetzt wird (s. Kap. 2.3.3.). Man entscheidet sich, welche Personen auf welche Weise wann und an welchem Ort wie angesprochen werden. Dann bittet man die entsprechenden örtlichen Behörden bzw. Stellen um die endgültige Genehmigung zur Durchführung der Studie und zur Bereitstellung der Adressen-Dateien aus denen unter Berücksichtigung von Datenschutz-Belangen die Stichproben-Adressen ermittelt werden können. Nachdem der positive Bescheid vorliegt, werden weitere Untersuchungs-organisatorische Vorbereitungen getroffen (Untersuchungsräume anmieten, Terminvereinbarungen mit Mithelfern, usw.); wichtige Stellen und Personengruppen werden vorabinformiert; erste Pressemeldungen über die Studie können erscheinen. Es erfolgt wiederum unter Berücksichtigung von entsprechenden Datenschutz-Gesetzen die Adressen-Auswahl. Folgende Hauptgrundsätze sind bei der ersten Kontakt-Aufnahme mit den potentiellen Studien-Teilnehmern zu beachten:
- Jeder angefragte Studienteilnehmer wird über Zweck, Form und Inhalt des Forschungsvorhabens aufgeklärt.
- Jeder Teilnehmer wird über die Freiwilligkeit der Teilnahme unterrichtet und darauf aufmerksam gemacht, dass ihm aus der Verweigerung der Teilnahme keine Nachteile entstehen.
- Die Daten (Adressen) von den angesprochenen Personen, die an der Studie nicht teilnehmen wollen, werden unverzüglich gelöscht.
- Die Studienteilnehmer, die sich bereit erklären, mitzumachen, geben ihre schriftliche Einwilligung, dass ihre personenbezogenen Daten erhoben und gespeichert werden können.
- Die Weitergabe der personenbezogenen Daten (Name, Anschrift) ist unzulässig.

Die Originaldaten der Teilnehmer werden in Datenschutzschränken gelagert. Die personenbezogenen Angaben werden gesondert gespeichert. Auf diese Datei kann nur eine verantwortliche Person zugreifen.

Nachdem die Zusage der Studienteilnehmer vorliegt, kann der eigentliche Untersuchungsablauf mit ihnen verabredet werden. Bereits im Rahmen der ersten Kontaktaufnahme können Termin-Vorabsprachen und -Wünsche notiert werden. Hier müssen die Belange der Studie und der einzelnen Teilnehmer "unter einen Hut" gebracht werden, dazu können heute neben den üblichen Terminkalendern auch EDV-Datensysteme verwendet werden. Man sollte bei der Planung, soweit es geht, auf die Belange der Studienteilnehmer Rücksicht nehmen; man will von ihnen etwas; man soll sie in positiver Motivationslage halten; selbst, wenn man nur einmal etwas von ihnen will; denn man sollte auch an mögliche Studien danach denken; an den Ruf des Wissenschaftlers im allgemeinen. Das Untersuchungsteam soll, soweit es geht, die Termine einhalten; bei der Planung an entsprechende Luft denken, falls sich etwas im Ablauf verzögert. Die Hindernisse für einen reibungslosen Untersuchungsablauf, liegen natürlich auf beiden Seiten (Zuspätkommen, Vergessen, unerwartete Ereignisse, Unfall, usw.), doch sollten die Untersucher mit sich strenger sein und Planungsfehler (z. B. Unterschätzung der Befragungsdauer) vermeiden bzw. schnellstmöglich korrigieren.

Der Untersucher sollte auch eher zum Teilnehmer gehen, als dass er den Teilnehmer kommen lässt. Der Studienort muss leicht erreichbar sein; d. h. in zentraler Lage, verkehrsgünstig gelegen sein, genug Parkplätze haben, usw. Man kann auch daran denken, ob man einen Zubringer-Dienst einrichtet. (Abb.600 - OLT134M - Mobile Untersuchungseinheiten bei NHANES / USA)

Zur Studienteilnehmer-Organisation gehört bei den meisten ernährungsepidemiologischen Studien auch eine notwendige Rückkopplung zwischen dem Untersuchungsteam und den Teilnehmern, denn meist beschränken sich die Kontakte nicht nur auf einen Termin. Es gilt die Reihe der geplanten Befragungen, Aufgaben (z. B. Protokolle, Tagebücher, usw.) und Untersuchungen ordentlich durchzuführen; es ergeben sich dabei eine Reihe von möglichen Informationsabläufe: erinnern an Termine, Abholen von Materialien, Nachfragen, usw. Man kann mit den Teilnehmern bestimmte Vereinbarungen treffen; häufig sind die Teilnehmer an ihren Ergebnissen interessiert, man muss dann dies organisieren; wobei dies manchmal nicht direkt, sondern in bezug auf klinische Daten besser über einen (Haus)Arzt erfolgen sollte. Hierbei ist wichtig, dass das Untersuchungsteam möglichst wenig Fehler macht, aufmerksam erscheint. Ein schlechtes Image kann durch falsche Anrede (Frau /Herr), Verwechslung von Adressen, ungerechtfertigte Ermahnung (z. B. Erinnern an einen Termin, der längst abgewickelt wurde), usw. recht schnell entstehen.

Die Aktionen für die Belohnung der Teilnehmer müssen organisiert und in den Untersuchungsablauf eingeplant werden. Bei longitudinal angelegten ernährungsepidemiologischen Studien muss auch an die Zeit zwischen den Untersuchungsterminen gedacht werden. Die Erinnerung an die Teilnahme kann dadurch verbessert werden, dass man in den Medien regelmäßig über die Studie erfährt; dass man zu Festtagen durch ( z. B. Geburtstags- und Weihnachts-)Grüße eine Aufmerksamkeitsgeste erfährt.

Die Öffentlichkeitsarbeit - die Beziehungen zur Gemeinde, zu den mithelfenden Gruppen und den Studienteilnehmern - sollte analog wie sie begonnen hat, nämlich freundlich werbend, auch mit dankender Anerkennung enden. Hier bieten sich wiederum viele Möglichkeiten an - von persönlichen Schreiben, über entsprechend allgemein verständliche Publikationen und Pressemitteilungen bis hin zu Informationsveranstaltungen. Dieses Vorgehen entspricht den allgemeinen Regeln über gute zwischenmenschliche Beziehungen und Kommunikationen; darüber hinaus wirkt solch öffentliche Wissenschaft auch fördernd für ein "besseres Bild" aus und trägt dazu bei, dass in Zukunft die Mitmachbereitschaft erhalten bzw. verbessert wird.(Abb.607 - OLT134M)

Wissenschaftliches Arbeiten beinhaltet einen vielfältigen und intensiven Umgang mit Daten und Informationen; dies ist bei ernährungsepidemiologischen Studie besonders deutlich. Die Betrachtung von komplexen realen Zusammenhängen, so wie sie sich der Ernährungsepidemiologie stellt, stößt an die Grenzen des menschlichen Wahrnehmungs- und Informations-Verarbeitungs-Vermögens. Es müssen reduzierte (Wahrnehmungs- bzw. Untersuchungs-)Modelle erstellt werden (s.Kap.2.2.2.). Der Umgang mit der Daten- und Informationsfülle stellt einen speziellen wichtigen Organisationsbereich für ernährungsepidemiologische Studien dar. Dazu gehört neben der Definition des Betrachtungsrahmen, d.h. die Formulierung des Studien-Modells und ihrer Umsetzung in die dazu angepasste Erhebungstechnik; das waren die Inhalte der Kapitel 2 und 3, die Nutzung von Erkenntnissen des Informationsmanagements und die Nutzung der Entwicklungen der Informationstechnologien. Gerade im letzten Bereich sind die Entwicklungen der elektronischen Datenverarbeitung so rasant, dass hier große Hilfen für die ernährungsepidemiologische Forschung bereitstehen, die den Zugang zu immer komplexeren Studien-Modellen zulassen. Die effektive Nutzung der Erfahrungen der entsprechenden Fachleute ist hier besonders wichtig. (Abb. 609 - wissenschaftliche Kommunikation - OLT134M)

 Die elektronische Daten-Verarbeitung (EDV) kann im Rahmen der ernährungsepidemiologischen Studien auf mehreren Funktionsebenen eingesetzt werden, nämlich:
- bei der eigentlichen primären wissenschaftlichen Arbeit, d.h. der Erfassung und Verarbeitung von Daten;
- bei der Kommunikation mit anderen Wissenschaftlern;
- bei den allgemeinen Organisations- und Management-Funktionen.

Die primäre wissenschaftliche Arbeit bzw. Aufgabe besteht in der Erfassung und Aufbereitung (Ordnen, Klassifikation, usw.) von Informationen. Früher wurden alle Messungen "per hand" notiert und ausgerechnet. Die verschiedenen Protokoll-, Erhebungs-, und Fragebögen dokumentieren am Ende der Studie die erhobenen Ur- bzw. Original-Daten. Mit Beginn der Einführung der EDV-Geräte benutzte man solche Geräte als Rechner, um die Daten schneller verarbeiten zu können. Dazu müssen die Originaldaten jedoch erst EDV-gerecht aufbereitet, d.h. verschlüsselt werden. Dieser Prozess wird im folgenden Kapitel 5 beschrieben.

Die Eingabe erfolgte bis vor nicht allzu langer Zeit, d.h. bis Ende der 70ziger Jahre über Lochkarten. (Abb. 611 -OLT134M) Dies war eine umständliche, zeitraubende Hilfstätigkeit. In der weiteren EDV-Entwicklung wurden die Großrechner-Anlagen über Keyboards, die mit Bildschirmen (die auch Monitore genannt werden) verbunden sind, auf denen man z. B. die Eingaben kontrollieren kann, für den Benutzer direkt zugänglich. Diese Terminals der Großrechner konnten über (Telefon)Leitungen relativ weit vom Rechenzentrum in der Nähe der Untersucher installiert werden. Heute sind die Personalcomputer so leistungsfähig, dass sie anstelle der Großrechenanlagen benutzt werden. Neben der Eingabe der verschlüsselten Daten an Keyboards können die Daten auch durch spezielle EDV-Datenerfassungsgeräte (Belegleser, Scanner) eingegeben werden. So wird die Datenerfassung mit Hilfe von EDV-Geräten immer einfacher und schneller. Man bemüht sich, dass direkt schriftliche Aufzeichnungen, aber auch vielleicht das direkte "Einsprechen" der Informationen in die Komputer erfolgen kann. (Abb.612 - OLT134M) (Abb.613 - OLT134M) (Abb.614 - EAN / Abb.615 - Scanner - OTLT134M)

Die Komputer werden immer dichter und kompakter und auch billiger; sie werden immer kleiner und leichter, und nehmen an Datenspeicher und Rechenvermögen zu. (Abb. 616 - OLT134M) Es gibt heute tragbare Geräte (Laptops) (Abb.617f - OLT134M). Die Datenspeicher werden auch immer dichter, man kann sie in viele Messgeräte einbauen; so dass die Datenerfassung nicht mehr über den Umweg des schriftlichen Protokolls erfolgen muss, sondern direkt auf Datenträger erfolgen kann. Diese Daten können anschließend auf andere EDV-Anlagen überspielt werden. An vielen wissenschaftlichen Arbeitsplätzen erfolgt heute eine "on line"-Datenerfassung, dies trifft natürlich auch für ernährungsepidemiologische Methoden zu. Im Methoden-Kapitel wurden einige Hinweise dazu angeführt. Physiologische Funktionen des Körpers können mit SAMI-Geräten aufgezeichnet (s.S.195), gespeichert und dann in größere EDV-Systeme eingegeben werden. Im klinisch-chemischen Labor erfolgt die elektronische Datenerfassung heute bereits fast routinemäßig; sie kann natürlich auch an einfache Wiegeprozeduren der Anthropometrie (Abb620 - OLT134M), aber auch bei den Ernährungserhebungsmethoden benützt werden (Barker et al. 1988; Sabry, Asselbergs 1988) (Abb.624 OLT134M). Neben der Datenerfassung kann die Informationsmenge durch entsprechende Programme in vernünftiger Darstellungsweise erfolgen. Bilder (z. B. Photos) können elektronisch analysiert werden; komplexe Messdatenreihen können in leichter interpretierbarer Form dargestellt werden.

Die EDV-Geräte-Entwicklung (Hardware) zur besseren Datenerfassung wird ergänzt durch eine entsprechende Entwicklung von Anwendungsprogrammen (Software). Man kann Befragungen als Dialog mit dem Komputer programmieren; der Wissenschaftler - und sogar unter bestimmten Bedingungen der Befragte selbst - führt den Dialog. Auf dem Monitor eines tragbaren PCs erscheint der Fragewortlaut und die entsprechenden Antwortvorgaben. So werden die gegebenen Antworten, d.h. die Erhebungsergebnisse unmittelbar erfasst und sofort gespeichert. Es gibt in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von Komputer-unterstützten Befragungen (CATI), auch auf dem Gebiet der Ernährungs-Interviews.

Die Entwicklungen zur Datenübertragung gehen ebenfalls sehr rasch voran - statt elektrischer Leitungen mit analoger Übertragungstechnik kommen nun Glasfaser-Lichtleitungen mit digitalem Datentransfer. Die verschiedenen Datenerfassungsgeräte in der Peripherie (Telefon, Scanner, Terminals, usw.) und die verschiedenen Arten von EDV-Anlagen [kleine, tragbare PCs bis hin zu Groß-Rechnern ("main frame")] können zu verschiedenen Nachrichten-Netzwerke verbunden werden. (aus dem Jahr 1980 - Abb621 OLT134M) Solche Daten-Netze finden natürlich auch Anwendung in den sozialempirischen Wissenschaften; die kommerziellen (Konsumenten-)Verhaltensforscher nützen diese modernen Möglichkeiten aus. So können Kombinationen aus Scanner-Kassen, Kabel-Fernsehen, bargeldloses Zahlen mit Scheck-(Magnet-)Karten und verschiedenen EDV-Geräten das Konsumverhalten, die Werbewirkungsforschung, usw. noch professioneller und effizienter gestalten. (Abb.622 + Abb 623 - OLT134M). Analoge Informationsnetze sind auch bei ernährungsepidemiologischen Studien denkbar. Die heutigen Datenverbundsysteme, die auch weltweit eingerichtet sind (Daten-Bank-Verbund, "mail box"-Systeme, usw.), bieten viele große Vorteile. Man darf jedoch die Gefahren von solchen Daten-Netzen nicht übersehen; sie liegen in den Bereichen Datenschutz (Umgehung von Datenschutz-Gesetzen, aber auch "Daten-Klau") und Daten-Verlusten ("Computer-Viren").

Die immer schnellere und immer vernetztere Informationsverarbeitung bringt auch leichteren Zugang zu anderen (Sekundär-, Referenz-, usw.) Daten. So wird die Auswertung erleichtert; man kann schneller darauf zurückgreifen, man kann besser bewerten; es gibt z. B. im medizinischen Bereich Datensysteme, die helfen Diagnosen zu stellen; solche Experten-Systeme verarbeiten die anfallende Informationsvielfalt - z. B. klinisch-chemische Analysen, ärztliche Diagnosen, usw. - vergleichen sie mit Standardwerten und kommen so zu Diagnosen, die entweder nochmals "menschlich-ärztlich" durchdacht werden, aber auch in "Zeitnot" zur weiteren Entscheidung herangezogen werden.

Es wird deutlich, heute können viel schneller Daten erfasst und verarbeitet werden. Im "Vor-EDV-Zeitalter" konnten die vielen möglichen Daten, die bei ernährungsepidemiologischen Studien anfallen können, nur manuell ausgewertet werden; das begrenzte von vornherein die Erfassung. Man erfasste nur relativ wenige Variablen, arbeitete mit kleinen Stichproben. Heute kann man schneller viele Daten erfassen; doch wenn man bei der Planung nicht an die damit größere Bearbeitungsmasse denkt, können heute genauso "Daten-Friedhöfe" produziert werden, wie es früher auch geschah. Die Organisation der Datenverarbeitung muss in einer Art Fließgleichgewicht erfolgen; zwar wird in der Feldphase die Datenerfassung überwiegen; aber man muss durch gründliche Planung des Studienmodells, den Auswertungsfluss mitgestalten. Durch eine entsprechende Ausstattung an Fachpersonal und EDV-Potential (Hard- und Software) sollte die Auswertung in einem vernünftigen Zeitrahmen bewältigt werden können. Man sollte die nächste Studie erst dann planen, wenn man die Ergebnisse der vorherigen miteinbeziehen kann.

Der nächste Bereich der Daten- und Informations-Organisation - die Kommunikation mit anderen Wissenschaftlern - wird heute geprägt von den oben geschilderten EDV-Daten-Netzen. Wenn früher der Arbeitsplatz eines Wissenschaftlern vor allem aus einem Büro, einem Schreibtisch, dem Telefon und dem Besprechungsraum bestand, so sollten zumindest die Wissenschaftler, die ernährungsepidemiologische Studien durchführen, diese weiterhin notwendige traditionelle Ausstattung mit einer EDV-Grundausrüstung ergänzen. Das bedeutet einen PC bzw. ein Terminal am Arbeitsplatz und eine Vernetzung mit anderen Arbeitsplätzen der Studiengruppe bzw. auch Anschlüsse nach "außen" sollten gegeben sein.

Zur richtigen Hardware gehören auch gute Anwendungsprogramme; das sind Schreibsysteme, die an die Arbeitserfordernisse angepasst sind. Wichtige Auswertungs- und Statistikprogramme sind von zentraler Bedeutung, daneben gibt es aber auch (Literatur-)Datenbank-Anwendungen. Zur Kommunikation gehört die gute Darstellung der Ergebnisse: die Produktion von graphischen Darstellungen für Publikationen, Dia und Folien für Vorträge. Man will schriftliche Berichte erstatten und Publikationen schreiben. Die moderne EDV-Software erlaubt es auch mit PCs und guten (Laser-)Druckern am Schreibtisch den schriftlichen Artikel (bis hin zum Buch) zu gestalten ("desk top publishing"). Zur Organisation der Kommunikation gehört letztlich auch die Durchführung von Workshops, Tagungen und Konferenzen; hier können neben konventionellen Ausstattungen, auch solche mittels moderner EDV-Geräte erfolgen - z. B. Satelliten-Video-Konferenzen.

Schließlich kann auch der Bereich der allgemeinen Organisation und Management-Funktionen bei ernährungsepidemiologischen Studien (Abb. 53) durch EDV-Einsatz optimiert werden. EDV-Geräte unterstützen und erleichtern die Schreibarbeiten und werden in der Finanzverwaltung eingesetzt. Die Mitarbeiter-Organisation (Personalverwaltung) kann ebenso EDV-unterstützt geschehen, wie die Betreuung der Studienteilnehmer (z. B. Terminverwaltung). Der Ablaufplan der Studie ist natürlich auch per Komputer zu steuern und zu kontrollieren.

Die aufgezeigte Spannbreite der Möglichkeiten der Daten- und Informations-Organisation macht deutlich, welche wichtigen und zentralen Aufgaben im EDV-Bereich liegen. Dem muss durch eine entsprechende Projekt-Ausstattung, d.h. entsprechendes Personal mit EDV-Kenntnissen, entsprechende EDV-Geräte und -Programme, Rechnung getragen werden. Die einzelnen Mitarbeiter der Untersuchergruppe sollten zwar alle EDV-Kenntnisse haben, doch die kann in vielen Fällen auf die spezielle Arbeitsanforderungen zugeschnitten bzw. angelernt sein; darüber hinaus muss jedoch eine Fachkraft vorhanden sein, die alle Belange der Datenverarbeitung des Projekts professionell behandeln kann und somit den einzelnen anderen EDV-Nutzern gezielt Hilfen geben kann.

Nachdem die wesentlichen einzelnen organisatorischen Aufgaben der ernährungsepidemiologischen Studie beschrieben wurden, muss schließlich nochmals der Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Die einzelnen Elemente - die Mittel, das Untersuchungsteam, die Studienteilnehmer - müssen aufeinanderabgestimmt sein. Am jeweiligen Zeitpunkt und Ort müssen alle Erfordernisse zusammentreffen; die Aufgaben müssen in der richtigen Reihenfolge abgewickelt werden. Auf entsprechende Management-Techniken kann an dieser Stelle nur summarisch hingewiesen werden. Günstig sind graphische Darstellungen der Arbeitsabläufe; man erkennt in Flussdiagrammen die Zuordnungen der einzelnen Aufgaben und sieht Entscheidungsbäume, d.h. Stellen an denen Entscheidungen getroffen werden müssen. Man prüft, ob der bisherige Ablauf den Planungen entsprach oder, ob man andere Wege einschlagen muss. Aus entsprechenden graphischen Darstellungen sind die Zusammenhänge zwischen den Personen (Aufgabenstellern, -trägern), den Mitteln und der Zeit deutlich abzulesen.

Bei den Planungstechniken steht der Zeitablauf im Mittelpunkt, der auch tatsächliche eine wichtige Komponente darstellt, jedoch nicht die einzige Richtschnur für die Organisation ist, denn auch die beteiligten Menschen und Sachmittel müssen einer Gesamtplanung unterworfen werden. Das sind Aufgaben der Logistik; ein Begriff der im militärischen Bereich als Name für das militärische Nachschubwesen eingeführt wurde. Das beinhaltet die Organisation der Mittel, des Transport derselben an den Untersuchungsort, sowie der Menschen (Untersucher bzw. Studienteilnehmer) und die räumliche Unterbringung der Untersuchergruppe (Ort der Untersuchung, Übernachtungs-möglichkeiten, Lagermöglichkeiten für Proben, Mittel, usw.). Zwischen den einzelnen "Elementen" müssen die logischen Zusammenhänge hergestellt (z. B. erst die Untersuchungsstelle aufbauen, ehe man Studienteilnehmer zur Untersuchung einbestellt) und den Betroffenen bekannt gemacht werden. So gehört zur Logistik die Planung einer wirkungsvollen Kommunikation zwischen den einzelnen Beteiligten (s. Abb. 50).

Der Untersuchungsablauf ("line of flow") der ernährungsepidemiologischen Studien hat häufig folgende Grundstruktur. Die Studienteilnehmer kommen an einer ersten Station des Untersuchungsflusses an und müssen gegebenenfalls - möglichst kurzzeitig - warten. Dann werden sie identifiziert und befragt, man gibt ihnen weitere Aufgaben bzw. führt sie zu den einzelnen Untersuchungen. Die reale Organisation ergibt sich aus den Gegebenheiten der jeweiligen Untersuchungs-Situation. Der Untersuchungsort sollte gut gekennzeichnet sein (Schild, Wegweiser, Plakat, u.a.m.), man sollte vielleicht auch Helfer haben, die die Studienteilnehmer auf den "rechten Weg" führen. Zur Kommunikation zwischen den einzelnen Stationen können mitgegebene Laufzettel helfen. Die einzelnen Stationen sollten einerseits leicht erreichbar sein, andererseits sollten die Befragungen, und Untersuchungen auch nicht durch "Laufkundschaft" gestört werden. Man muss die Privat- bzw. Intimsphäre der einzelnen Studienteilnehmer beachten (z. B. Umkleide-Kabinen). Die einzelnen Stationen sollten auch ausreichend und funktionsgerecht möbliert sein. (Beispiel ICNND - Abb.630 - OLT134M)

 Der Untersuchungsablauf kann selbstverständlich ganz verschiedene weitere Elemente haben; z. B. beginnend mit postalischem Versand von Frage- und Aufgabebögen einschließlich telefonischer Rückfragen; Untersuchungen im Haushalt, an der Arbeitsstelle, usw. Man kann Studienteilnehmer zu bestimmten Untersuchungsstellen (Kliniken, Gesundheitsämtern, usw.) einbestellen. Das Prinzip der Organisation eines solchen Untersuchungsflusses bleibt davon unberührt. Die Reihenfolge muss gut durchdacht sein, jeder muss wissen was er zu tun hat. Der Fluss von Menschen, Daten und Informationen muss sichtbar sein, er muss kontrolliert werden. (Beispiele für Ablaufpläne - Abb.628 + Abb.629 - OLT134M)

Für diese Organisationsaufgaben braucht man realistische Kenntnisse über die Zeitaufwendungen in der Abfolge der einzelnen Aufgaben der Studie. Es genügt nicht, allein die reine Arbeitszeit für die einzelnen Tätigkeiten (Blutentnahme, klinische Untersuchung, anthropometrische Messung, Ernährungsprotokoll, schriftliche und mündliche Befragung, usw.) zu kennen, sondern man muss eine Reihe von weiteren Zeiten berücksichtigen. Man benötigt Zeit für den An- und Abgang; hier richtet sich die Planung auch nach den Gegebenheiten, z. B. ob man zu Fuß den betreffenden Ort erreichen kann oder, ob man öffentliche Verkehrsmittel benutzen muss (Fahrplan und Wartezeiten sind dann einzurechnen). Weiterhin benötigt man bei allen Untersuchungen, bei denen es zu einer direkten Begegnung zwischen Menschen kommt, eine gewisse "Kommunikationszeit"; man muss sich begrüßen, vielleicht einfach auch etwas "schwätzen" und kann nicht nur strikt die Sache formell abhandeln. Ein Interview ist nur bedingt zu standardisieren man kann nicht exakt die benötigte Zeit berechnen, nicht "Akkord-Arbeits-Bedingungen" einplanen. Die "menschliche" Behandlung der Studienteilnehmer bedeutet einen Zeitaufwand; doch man sollte daran denken; die Studienteilnehmer "schenken" dem Untersucher ein Teil ihrer Zeit, so sollte auch der Untersucher "Zeit haben", wenn es der Studienteilnehmer wünscht. Diese Kommunikationszeit gilt auch für die Begegnungen innerhalb der Untersuchergruppe. Bei der Zeitabschätzung für die einzelnen Aufgaben muss letztlich auch daran gedacht werden, dass die gesammelten Informationen aufbereitet und weiter gegeben werden müssen; so werden die Informationen niedergeschrieben (z. B. Dokumentation der Tagesarbeit, Tagebücher), verschlüsselt, eingegeben, usw.; die (Untersuchungs-)Proben werden gelagert, verpackt, versandt, usw.

Aus einzelnen Ablaufplänen heraus werden Gesamtpläne, aber auch Detailaufstellungen für die verschiedenen Gruppen (Untersucher, Studienteilnehmer) erstellt. So ergeben sich Tages-, Wochen-, bzw. Monats-Arbeitspläne. Bei den täglichen "Durchflussraten" sollte man daran denken, an welcher Stelle der meiste Zeitaufwand benötigt wird. Die umfangreichste Aufgabe bestimmt den Untersuchungs-Gesamtumsatz. Man muss wissen, wenn dort Verzögerungen eintreten, dann beeinflussen sie den gesamten Ablauf. So sind hier besondere Sicherungen einzubauen, wie z. B. Personalreserven). Man muss überlegen, wie Warteschlangen schnell abgebaut werden können. (Hinweis Netzplantechnik - Abb. 626 - Abb.625 Abb.627 - OLT134M)

Trotz genauester Beachtung aller theoretisch möglichen Arbeitsbedingungen reicht eine Planung am Schreibtisch allein nicht aus. Man kann nicht alles vorhersehen, man muss praktisch üben. Man muss es praktisch "durchexerzieren". Die "Generalproben" für ernährungsepidemiologische Studien werden häufig Pilotstudien (früher auch Lotsenstudien) genannt. Ihre Ziele sind im wesentlichen:
- Kontrolle, ob der Zeitplan einzuhalten ist; Alternativen für Engpässe vorbereiten (z. B. Erkrankung von Personal);
- Kontrolle der Erhebungsinstrumente (z. B. Gerätefunktion im Feld); Vollständigkeit und Verständlichkeit des Fragebogens und der Protokolle (dies sollte auch später kontinuierlich erfolgen, möglichst jeden Abend, dann können unvorhergesehene systematische Fehler beseitigt werden);
- Kontrolle der Interviewer (z. B. unterschiedliche Verweigerungsquoten, tendenziell unterschiedliche Antworten, usw.);
- Kontrolle der Studienteilnehmer (Zeitplan, Wartezeiten, Mitmachraten, Problemfelder, usw.)
- Kontrolle des Informationsflusses zwischen allen Beteiligten
- (Registrierung von wichtigen Ereignisse und interessanten
- Beoabchtungen).

Für solche Probeläufe müssen realistische Studienbedingungen eingehalten werden, z. B. ist es nicht sinnvoll, dazu nur Studenten oder andere leicht zugängliche Studienteilnehmer heranzuziehen, wenn später ganz andere Bevölkerungsgruppen die Zielgruppe darstellen. Auch der Untersuchungsort soll der gleiche sein; kurz es muss eine richtige Studie sein, allerdings im kleinen Rahmen. Dazu reichen meist ca. 20 Studienteilnehmer. Aus Gründen des Trainings des Untersuchungsteams können zusätzlich Untersucher auch als Studienteilnehmer im Vortest mitwirken (s.S.293).

Vorstudien können auch mehr planerische Aufgaben berücksichtigen. So kann man einmal grundsätzlich prüfen, ob der Ablauf überhaupt durchführbar ist. Dann werden diese Studien Durchführbarkeits- bzw. Prüfstudien (Feasibility Studies) genannt. Diese können teilweise selbst sehr umfangreich sein, wenn das spätere Studienziel entsprechend groß ist (s. z. B. EMSIG). Man kann auch bestimmte Methoden vorher testen (messmethodische Vortests), oder auch Informationen darüber sammeln, wie viele Fälle in der Grundgesamtheit vorkommen (strukturelle Vortests), um damit dann die Stichproben-Abschätzung besser vornehmen zu können.

Zu dem Studienablauf gehört auch, dass die Dokumentation der Studienprotokolle in allen Stufen von Planung über Organisation bis zum Ablauf der Studie einplant wird. Alle Vorgänge sollten später nachvollziehbar sein, dadurch wird die Studie prinzipiell wiederholbar. Erst durch diese "Glasnost" kann sie von der Wissenschaftsgemeinschaft kritisch überprüft werden. Das ist ein wichtiges Kriterium für das Maß an Objektivität und die Qualität der Ergebnisse.

Schließlich bleibt trotz besten Managements in ernährungsepidemiologischen Studien - deren Basis in der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen vielen Menschen liegen - ein Restrisiko, nicht alles lässt sich realisieren, so wie man es plant. Menschliche Kommunikation und Zusammenarbeit kann abbrechen, Studien können scheitern. Bei Beachtung der wesentlichen, kritischen Problembereiche, wie "kritische Zeitpfade", Kenntnisse über Psychologie der Gruppe, Grundsätze der Öffentlichkeitsarbeit, u.v.a.m. kann das Risiko des Scheiterns minimiert werden. Zur Planung und Durchführung von ernährungsepidemiologischen Studien gehören die Fähigkeiten und Fachkenntnisse des Organisierens; hier - wie auf anderen Gebieten - gilt: "Übung macht den Meister." Doch es sollte dabei nicht vergessen werden, auch in diesem Bereich gibt es "Profis". Neben den eigentlichen Wissenschafts-Methoden werden "Hilfswissenschaften" meist unterschätzt. Organisation bietet zwar im wörtlichen Sinn eine "Dienstleistung"; genau wie die Beachtung der Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaft und die Nutzung der EDV. Die Daten als solche werden damit nicht erhoben, doch was nützt die beste Erhebungs-Methode, wenn die Organisation, die Kommunikation und die Datenverarbeitung schlecht ist. Das (gute) Ergebnis einer ernährungsepidemiologischen Studie hängt von der gleichwertigen Zusammenarbeit, von der Nutzung möglichst vieler verschiedenen Fachwissenschaft(ler)en ab.

Tagungsplanung - http://www.gcb.de/DEU/tagungsplanung/checklisten.htm 

ergänzende Literatur:

GTZ-Guidelines for Community Nutrition Surveys (link)

Guidance for nutrition surveys (in Notfälle) UNCHR-Publikation

Guidelines for Nutrition Surveys (Ministry of Health, Uganda)

Jean A. S. Ritchie, G. R. Wadsworth & Jaime Ariza‐Macais:  Letters To The Editor - Equipment suggested for a nutritional survey.  Ecology of Food and Nutrition 2(3) 239-242 (1973) (scan im Archiv)

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