Anthropometrie - Die Vermessung des menschlichen Körpers

Die Dimensionen eines menschlichen Körpers sind das Ergebnis von Wachstums- und Erhaltungsprozessen; diese unterliegen einer Vielzahl von Faktoren, die einerseits genetisch festgelegt und andererseits von der Lebensumwelt (Klima, körperliche Anforderungen usw.) (CHART) abhängen, dabei stellt die Ernährung einen wichtigen Bereich dar. Unausgeglichene Nahrungsbilanzen (Abb. EPID17) wirken auf die Körpermaße ein; diese körperlichen Reaktionen sind ein wichtiges Regelelement, um auf Nahrungs-Imbalanzen zu reagieren. So lassen sich Körper-Maße als Indikatoren für den Ernährungszustand verwenden. (Vorlesungsumdruck - Info ca 1988; gibt auch Vorläufer dazu)

Die Messung der Körpermaße - die Anthropometrie - ist eine Methode, die viele Anwendungsbereiche hat. So dient sie Anthropologen und Human-Genetikern, um z. B. die verschiedenen Rassen zu unterscheiden oder um verwandtschaftliche Beziehungen nachzuweisen. Gerichts-Mediziner brauchen solche Kenntnisse, um aus Fundstücken den Menschen zu beschreiben. Arbeits-Mediziner und -Physiologen entwerfen mittels anthropometrischer Daten die Beschaffenheit von Geräten und Arbeitsplätzen. Die Bekleidungsindustrie muss wissen, welche Größen Körper, Füße, Hände, Hälse und Köpfe haben (CHART). Archäologen bestimmen aus Knochenfunden die Erscheinungsbilder früherer Populationen. So gibt es eine Vielzahl von anthropometrischen Messungen, die Liste des Internationalen Biologischen Programms umfasst z. B. 56 Maße (Weiner, Lourie 1969).

Die Ernährungsbilanz wirkt sich auf eine Reihe von Körpermaßen aus. Die genauere Betrachtung der Beziehungen ist Aufgabe der Ernährungs-Anthropometrie (nutritional anthropometry). Es ist hierbei von Bedeutung zu sehen, dass die akuten Formen von Fehlernährung sich unmittelbar auf das Wachstum (von Kindern) und auf die weichen Gewebe auswirken (Fett-Gewebe, Muskel-Masse); während chronische Formen der Fehlernährung sich besser am festen Gewebe (Knochen, Körperhöhe) nachweisen lassen.

Die anthropometrischen Messungen stützen sich eigentlich auf recht einfache Methoden und Geräte, wie Waagen, Messlatten, -bänder und -zirkel. Damit kommt die Ernährungs-Anthropometrie im allgemeinen auch aus; ergänzend können jedoch auch standardisiertes Photographieren und elektronische Bildanalyse eingesetzt werden. Die Methoden und Erkenntnisse der Anthropometrie sind in einigen, bereits als "klassisch" zu bezeichnenden Hand- und Lehrbüchern zusammengefasst (Brozek 1963; Jelliffe, Jelliffe 1974; Martin, Saller 1957; Roche, Falkner 1974; Tanner 1960, 1962).

In der Praxis der ernährungsepidemiologischen Studien kommt man meist mit einigen wenigen Messungen aus; das sind vor allem Körpergewicht, Körperhöhe, Umfangsmessungen von Oberarm, Oberschenkel und Bauch und Messung der Hautfaltenstärke.

Die Verteilung von anthropometrischen Messdaten in einer bestimmten Bevölkerung kann in zwei grundsätzlich verschiedenen Weisen zur Beurteilung verwendet werden. Zum einem dienen sie als reiner Bezugsmaßstab, ohne damit eine prinzipielle Wertung vorzunehmen. Diese Referenz-Werte zeigen nur die Position der vielen einzelnen Werte der Erhebung in Bezug zur Vergleichs-Bevölkerung an. Im bewertenden Vergleich dienen die Bezugs-Maßstäbe als Standard-Werte; d. h. man hat damit Zielgrößen für die anthropometrischen Messungen. Dazu müssen diese Standard-Werte mit Funktionen verbunden werden; die Werte stehen im Zusammenhang mit höchster Lebenserwartung, geringster Krankheitsanfälligkeit, größter Arbeitskraft, höchster Intelligenz usw. Solche Beziehungen sind nur sehr schwer zu ermitteln, vor allem ernährungsepidemiologische Studien müssen dazu durchgeführt werden.  (Tabelle - Vertrauensbereiche der anthropometrischen Daten in Abhängigkeit von der Stichprobengröße)
(WHO-Empfehlung wie "Standards" erhoben werden sollten; - Querschnittsstudien; gesunde Menschen - Rihtlinien ungefährt - von jedem geschlecht je Neugeborene - 500; im ersten Lebensjahr - je 100/Monatsalter / 1-2 Jahr - Quartale; 2-4 Jahr - Halbjahresgruppe; dann Jahresgruppen, ab 20 Jahre + - 5 Jahres Gruppen / besser wäre longitudinale Stduie, wie z.B. Donald-Studie des FKE, doch dies benötigt lange bis Standard fertig wäre; dann eventuell schon wieder neue Standards notwendig (Akzelleration).  (Kompromiß Kohortengruppen - über begrenzte Zeit)

Die Erfahrungen mit anthropometrischen Bezugsgrößen zeigt, dass sich die Standards in verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht sehr unterscheiden. Der klassische longitudinal gewonnene Harvard-Standard (an einigen hundert weißer Kindern aus den Jahren 1930 bis 1956) (CHART); unterscheidet sich nicht sehr von den repräsentativen Querschnitts-Daten aus den USA (NCHS Growths Charts), die von der Weltgesundheits-Organisation (WHO) als internationale Referenzwerte übernommen wurden. Die Unterschiede zwischen den meisten Rassen sind viel geringer, als ursprünglich angenommen. (Harvard-Standard in Jelliffe-Buch S.221f) (stammen aus 1930-1956) (Problem - allgemeine Gültigkeit, genetischen Unterschiede; Standard = Ziel - hier wichtig absolut richtig; aber "Standard" auch als Bezugsgröße; dann nicht so entscheidend, da nur Relation zwischen einzelnen Daten bewertet).  (In Entwicklungsländer ist ein Problem die korrekte Altersfeststellung).

(Literatur - Ü42 - Referenzwerte)

Die anthropometrischen Messungen erscheinen recht einfach. Die Geräte sind nicht sehr teuer, die Messungen werden von den Studien-Teilnehmern gut akzeptiert (z. B. im Vergleich zu Blutentnahmen). Durch die einfache Handhabung der Messungen ergibt sich ein Nachteil, nämlich dass man die Kontrollen unterschätzt. Auch hier ist gutes Einüben und regelmäßiges Überprüfen (von Menschen und Geräten) angezeigt. Die anthropometrischen Daten können auch nicht sehr spezifisch für spezielle Formen von Fehlernährung sein; sie zeigen mehr die Verhältnisse bezüglich der gesamt Nahrungs-Bilanz (vor allem für Energie, und gegebenenfalls noch für Eiweiß und Fett) an; Vitamin- und Mineralstoffzustände sind nicht mittels der Anthropometrie zu beschreiben.

(Faktoren die die Körpermaße mit beeinflussen -  Geschlecht (Genetik); Klima- größere Hitze - günstiger größere Körperoberfläche, wenig Fett unter der Haut - Hiernaux) / größere Höhenlage - weniger Zellen, kleinere Statur
"Body Building" - Sport / Arbeitsplatz /
foetale (Fehl)Entwicklungen - Mißbilungen /  Unfälle / Amputationen
Infektionen und andere Krankheiten

(s. OLT 134 - Kap. 3.4)(OLT 81)

Körperbautypen - körperliche Konstitution muss besser berücksichtigt werden (OLT 134 - Übersicht 43)

siehe auch biophysikalische Methoden - Messung der Körperzusammensetzung (Fettgewebe, usw)   (OLT 134 - Übersicht 44) 

Mortalität - (als Funktions-Bewertunsgkriterium) - Körpergewicht
(CHART - BMI- all causes Mortality) (Chart: differenzierter zB Raucher)
Mortalität Kleinkinder - Unterernährung (Harvard-Standard%) (Chart - Bairagi, 1982)

Stellt sich die Frage - welches ist der beste Indikator für den Ernährungszustand - viele Überlegungen, aber meist "gewinnt" die einfache Messung des Körpergewichts (auch relativ gut in LDCs - Armumfan)

Versuche die Aussagekraft zu verbessern - Index-Bildung - z.B. Index of Trhiwving

Oder Obesity Score: 0,57 (Köprergewicht in kg) + 0,072 Hautfalte (mm) - 0,076 Waist-Circumference + 0,881 ( Huemann J.: J Amer Diet. Ass. 64(5) 480+488 (1974)

Aber alles muss für jeweilige Untersuchungssituation wieder validiert werden, kann nicht einfach übernommen werden).

(Zur Organisation der anthropometrischen Messungen; Auswahl der Methoden - Erfassungsbogen WHO-Beispiel); Personal-Bdearf - ein "Messer" und ein "Scheiber"; Logistik - Geräteliste )  (Kosten der Geräte sind sehr unterschiedlich - für Entwicklugsländer - (low cost - equipments) (TALC, London) (Chart - Kosten)

NHANES: Anthropometry Procedures Manual, CDC Jan 2007  (download)

(Auswertung - Definition der Altergruppe; 0,00-0,99 Monate; und 4,00-4,99 Jahre; oder 3,51-4,49- Jahre)

Korrelation antropometrische Daten Kinder und Eltern (Geschwisgter)

Saisonale Schwankungen
Frage - nach besten Indikator - nicht eindeutig, doch guter Kompromiß immer wieder - das Gewicht - Chart) (ältere aber wichtige Literatur: WHO - 1983

W.Keller; E.M. de Mayer: Anthropometry in Nutritional Surveillance. Nutr Abst Rev 46(8) 591-609 (1976)

D.B. + E.F.P.Jelliffe:Nutrition and Growth, Plenum Press, 1978

Roche, Falkner - Nutrition + Malnutrition, Plenum, 1974

WHO Expert Committe: Physical Stagtus - The Use and Interpretation of Anthropometry. WHO Technical Report Ser.Nr 854, Genf 1995

Dugdale, A.E. et al.: The growth during infancy of parents and their children. Ecol Food Nutr 14(1) 47-50 (1984)

 

Zur Geschichte der Anthropometrie ( R Matorell - Fed Proc. 40(11) 2572 (1981) Im Mittelalter in medizinischen Büchern Größenangaben; Geburtsgewichte - doch mehr beschreibend, als quantitativ
Ertse longitudinale Angaben zum Wachstum vor 1800 - Wachstum eigener Kinder
Erste umfassende Datensammlung - Soldaten-Messungen - Musterung / Aussonderung - in Frankreich 1812/13 ) - Bereits damals - Armut - kleinere Menschen; Analoge Informationen aus England - Kinderarbeit

Erste systematische Studien - so wie sie heute noch durchgeführt werden - der Belgier - Quetelet - um 1830;  erste echte Standardzahlen - um 1940

Frank Spencher: History of physical anthropology - Google-Books

Tanner, J.M.: A history of the study of human growth.  Cambridge University Press, Cambridge, U.K., 1981. 499 pp.  (Google Books)  (ref. Ecol Food Nutr. 12(4) 256 (1983)

Anwendungen der Anthropologie auch in der Wirtschaftsgeschichte - Körper-Größe der Menschen abhängig vom Wohlstand (Einkommen). (Komlos) (Publikation bei www.ssoar.info )
Komlos, John: Über die Bedeutung der Anthropometrischen Geschichte. In: Historical Social Research 18 (1993), 3, pp. 4-21. URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-32786

Sehr ausführliche Darstellung der Methoden der Alterfeststellung (auch historische Aspekte) (anthropometrische Methoden Schwerpunkt) (Hintergrund - Altersfeststellung Asylverfahren) - "Alter (ver)messen? - Gesellschaftspolitische Anwendungszusammenhänge wissenschaftlicher Vermessungstechniken zur chronologischen Lebensalterbestimmung im österreichischen Kontext. (Petra Pinkl, Dissertation, Uni Wien, 2009)
soziales Alter; biologisches Alter (Alter verbunden mit Funktionen, Fähigkeiten, Kapazitäten, capacities) Vitalität; Wissenschaftskritische Diskurse; Objektivität; Experten; Subjektive Altersschätzung; Rassentheorien