Weber, Eberhard (b, vc, comp, ld), * 22.1.1940 Stuttgart. Als Bassist wie als Komponist zählt Eberhard Weber zu den herausragenden Persönlichkeiten des europäischen Jazz. Ursprünglich von Scott LaFaro, Paul Chambers und Ray Brown beeinflusst, fand er zu einem musikalisch wie technisch völlig eigenständigen Stil, bei dessen Ausformung sein Instrument eine besondere Rolle gespielt hatte: ein selbst konstruierter, aufrecht stehender elektro- akustischer Bass mit einer zusätzlichen C-Saite und der Fähigkeit, extrem lange Notenwerte zu halten. »Der Hals«, erklärt Weber, »stammt von einem Kontrabass, während der Resonanzkörper speziell konstruiert wurde, letztendlich aber keine nachweisbare Funktion hat. Der Pick-up ist nach dem Prinzip der induktiven Schleife gebaut. Da wird jede einzelne Saite mit einem Dauermagneten magnetisiert, der über einer Spule tonfrequente Schwingungen ausführt. Am Obersattel endlich befindet sich eine Kupferbrücke, die die Schleife schließt. Dieses Prinzip ist für den etwas eigenartigen Sound verantwortlich.« Dieser spezifische Klang kann als besonders hell, singend, klar und flexibel beschrieben werden. Auch Webers perfekte Intonation, sein musikalisches Gespür für Freiräume und melodische Schönheit bestimmen den Sound entscheidend mit. »Wie Eberhard Weber klingt sonst kein Bassist auf der Welt«, betont Michael Naura. Auch als weithin begehrter Begleiter hat er sich nie hinter der Erfüllung von Schemen versteckt. Eberhard Weber bringt Bewegung ins Konzept oder beruhigt, wenn ihm das geboten erscheint. Er füllt die Räume meisterhaft mit obligaten Stimmen und hält dabei doch die Basis mit sicherer Rhythmik. Das gilt ebenso für seine Solo-Projekte und die spätere Einbeziehung elektronischer oder elektroakustischer Delays, »die mir eine Art Dialog mit mir selbst gestatten, die mich aus der Isolation der Soloperformance wenigstens akustisch befreien«. Die viel zitierte und oft an seinem Beispiel belegte »Emanzipation des Basses« sieht er keinesfalls allein durch dessen solistische Ausschöpfung erreicht, sondern hebt den Stellenwert von Gruppenkonzepten, Teamwork und ästhetischen Gesamtwirkungen auch durch Rollenwechsel hervor, die er auf seinem Spezialinstrument erzielen kann: »Ich betrachte mich nicht als konventionellen Bassisten, wenn ich meine eigene Musik mit meiner Band spiele. Ich verstehe mich als Instrumentalist, der manchmal Bassfunktion, manchmal Melodiefunktion hat.« In seiner poetischen Musik, breiter bekannt seit dem Erfolg des 1975 mit dem Großen Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichneten Debüt- Albums »The Colours of Chloe«, steht für den Komponisten und Leader Weber weniger der im Jazz so ausgeprägte Wille zur individuellen Expression im Vordergrund als vielmehr der Klang und der Integrationsversuch persönlicher Möglichkeiten von Jazzmusikern. Er definiert seine atmosphärische, von pastellartigen Klängen geprägte Gruppenmusik als »Synthese zwischen Rhythmik, die ursprünglich vom Jazz herkommt, mit Klangformen und Klangideen, wie sie in der Klassik zu Hause sind«.
Eberhard Weber hatte als Sohn eines Musiklehrers vom sechsten Lebensjahr an Cello-Unterricht, spielte aber ab 1958 in Tanzkapellen, später auch in Jazzbands Bass. Er sang zeitweise im Horst Jankowski-Chor, besuchte darüber hinaus eine Fotoschule und war ab 1961 hauptberuflich als Assistent, Autor und Regisseur für Werbeproduzenten, Fernsehen und Theater tätig. Daneben spielte Weber Bass, ebenfalls ab 1961 zunächst im Duo, dann im Trio mit Wolfgang Dauner, dessen LPs, darunter »Dream Talk« (1964), »Free Action« (1967) und »Output« (1970) seinerzeit weithin Beachtung fanden. Als technisch versierter, ideenreicher und vielseitiger Bassist wurde Eberhard Weber, der 1970 – nun Berufsmusiker – auch Dauners Rock-Jazz-Gruppe Etcetera (gleichn. LP 1971) angehörte, seit Mitte der sechziger Jahre für eine Vielzahl von Plattenaufnahmen verpflichtet, darunter Einspielungen von Joki Freund, Baden Powell, Emil Mangelsdorff, Dieter Reith, Jean- Luc Ponty, Hampton Hawes, Art van Damme, Lucky Thompson, Mal Waldron, Michael Naura, Stéphane Grappelli, Joe Pass, George Gruntz, Dollar Brand, Rolf Kühn und Gary Burton, mit dem es zwischen 1974 und 1976 zudem viele internationale Tourneen und weitere Aufnahmen gab. 1972/73 hatte er als Mitglied des Dave Pike Set bei zahlreichen europäischen Festivals und in Südamerika gastiert; 1973/74 folgten Projekte mit Volker Kriegels Gruppe Spectrum. Schon 1973 nahm Eberhard Weber mit eigener Gruppe und Sinfonieorchester das Album »The Colours Of Chloe« auf, das ihm 1975 nicht nur den Großen Deutschen Schallplattenpreis der Phono-Akademie, sondern auch die Wahl zum »Künstler des Jahres« einbrachte. Er gründete 1974 seine Gruppe Colours mit Charlie Mariano (sax), Rainer Brüninghaus (kb) und Jon Christensen, ab 1977 John Marshall (dr). Es folgten bis zur Auflösung im Jahr 1982 triumphale Tourneen – auch in den USA – und weitere Einspielungen mit der Gruppe oder speziellen Besetzungen, so »Yellow Fields« (1975), »The Following Morning« (1976 mit Brüninghaus und Streichern), »Silent Feet« (1977), »Fluid Rustle« (1979 mit zwei Vokalistinnen) und »Little Movements« (1980). Gary Burton, an dessen Album »Ring« (1974) Weber mitgewirkt hatte, präsentierte den Bassisten auf US-Tourneen 1975 und 1976 als herausgestellten Gastsolisten – eine Novität in der Jazzgeschichte. Seit seiner Gründung im Jahr 1975 bis 1987 gehörte Eberhard Weber auch dem United Jazz & Rock Ensemble um Wolfgang Dauner an. Mit dieser Band nahm der vielfache Poll-Sieger ebenso Platten auf wie mit Ralph Towner (»Solstice«, 1974), Jan Garbarek, Michael Naura, Pat Metheny, Charlie Mariano, Benny Bailey, Monty Alexander, Chris Hinze, Martin Kolbe und Kate Bush. Seit 1982 ist Weber Mitglied der Gruppe von Jan Garbarek, seit 1985 gibt der auch als Filmkomponist tätige Musiker, der für Serien wie »Tatort« oder »Ein Fall für Zwei« geschrieben hat, auch Solokonzerte. Er reiste zudem mit Michael Gibbs, dem Manfred Schoof-Orchester (1983 DDR) und mit seiner nächsten Gruppe Chorus (u.a. Jan Garbarek und Ralf Hübner), die 1984 eine gleichnamige LP einspielte und 1986 in Bombay gastierte. Das Album »Eberhard Weber Works« (1973 bis 1980) zeigt ihn in wechselnden Besetzungen, auf »Later That Evening« (1982) sind Paul McCandless, Bill Frisell, Lyle Mays und Michael DiPasqua seine Partner. Das überwiegend in großer Besetzung realisierte Album »Orchestra« (1988) leitete Ende der achtziger Jahren eine neue Qualität der Solo-Phase ein, die sich 1993 auf »Pendulum« umfassend dokumentiert hat. Eberhard Weber, weiterhin ein viel beschäftigter Komponist, arbeitete seitdem sowohl solo als auch in Duo- Projekten – oft mit Brüninghaus – oder in der Gruppe von Jan Garbarek und mit eigenen, meist projektbezogenen Formationen. In jüngerer Zeit gab es zudem neben eigenen Tournee-Projekten und Alben wie »Endless Days« (2000) Aufnahmen mit Sigi Schwab, Graeme Revell, Andreas Georgiou und den German Jazz Masters (»Old Friends«, 2000).
[Weber, Eberhard. DB Sonderband: Jazz-Lexikon, S. 6167
(vgl. JL Bd. 2, S. 1451 ff.)]
Jubiläumskonzert zum 75.Geburtstag - im Theaterhaus Stuttgart - 23.+24.01.2015 (link)
Verleihung des Jazzpreis des Landes Baden-Württembergs (link) (Die Welt)
(Telegraph, London 25.01.2015)