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Einfalt vs Vielfalt

Einfalt - Vielfalt ist ein weiteres Beispiel für ein Gegensatzpaar (Dichotomie).
Menschen gestalten die Natur, die Umgebung (z.B. Stadt), das Leben, den Alltag - häufig immer das Gleiche - monoton; Monokultur - das hat viele Vorteile, sie schafft Ordnung, Sicherheit, Vertrautheit (es gibt nichts Fremdes); es ist  ökonomischer (Standardisierung - Fordismus). Ein Nachteil ist die erhöhte strukturelle Gefährdung - z.B. wenn ein "Virus" die Monokultur (z.B. Kaffeeplantagen; Massentierställe; Aquakulturen) befällt bleibt nichts übrig.
(aktuelle Beispiele - Bananen-Krankheit - Panama Disease / Plant Disease - journal / Spiegel 31.12.13 -- Befall von Zitrusbäumen - TAZ 13.1.14 - Save our Citrus - link - Krankheit: Hunaglongbing - link)
Durch Monokulturen werden viele andere "Kulturen" verdrängt - ein Faktor für verminderte Biodiversität (Beispiel: Maisacker statt artenreicher Wiese, aid aktuell 09.04.2014) ⇒ Die Lage der Natur (Bundesumweltministerium)
Leibniz-Journal Heft 3/2014 - Schwerpunkt: Der Wert der Vielfalt. Die Bedeutung der Biodiversität für den Menschen.

Wenn es überall das gleiche Essen gibt (Fast Food, Systemgastronomie) dann "schmeckt es überall gleich" - dann kann man gleich zu hause bleiben. Wenn überall die gleichen Lebens-,  Bildungs-, Kultur-, Sport-, Musik-kulturen sind (Globalisierung), dann kann keiner neues (unbekanntes) entdecken (Mangel an Anregung usw). (Beispiel für strukturelle Gefährdung - Fluglogistik in Europa war empfindlich gestört durch den Vulkan-Ausbruch Eyjafjallajökull - Island - http://de.wikipedia.org/wiki/Eyjafjallaj%C3%B6kull
(Gefahr für Weizen - durch Pilz  Ug99 - Meldung der Borlaug Global Rust Initiative - BGRI - Ende Mai 2010) - http://www.globalrust.org/traction/permalink/about19http://en.wikipedia.org/wiki/Stem_rust

Andererseits gibt es in Großstädten eine sehr große Bandbreite internationale Küchen "zu Hause" bzw. vor Ort nutzen zu können. Beispiel ein Bericht (16.10.2015) über eine "kulinarische Weltreise" in Zürich in www.watson.ch -

Aktuelles Beispiel (Okt 2012): Großküchen-Konzerne - wie z.B. Sodexo - verpflegen Hundert Tausende Menschen täglich (Verteilung von Nahrung und Risiken - Lebensmittelinfektionen); (>2000 Schulen; Kinderbetreuungsstellen; >200.000 Essensteilnehmer) (größte Lebensmittelinfektion > 10.000 Menschen betroffen) (Infos im Archiv) (BMELV - 5.10.12 Presse; RKI - ; Wikipedia)

Khoury, CK et al.: Increasing homogeneity in global food supply and the implications for food security. Proc. Nat.Acad.Sci.USA (PNAS) 29.01.2014 - download  (ref. UN-Ernährungsstudie schlägt Alarm: Gleicher, reicher, gefährlicher FAZ  - 04.03.2014; Einheitsbrei auf dem Teller führt zu Hungersnot - TAZ  -05.03.2014)

Bei Bier ist eine große Vielfalt möglich (selbst bei Reiheitsgebot), denn es gibt >100 Malzsorten; Hunderte Hopfensorten, versch. Hefen; unterschiedliches Wasser; dazu kommt der Zeitfaktor, für Mälzen, Maischen, Kochen, Gären, Lagern, usw.  Doch es gibt überwiegend "Standardmarken", der Verbraucher erwartet immer den gleichen, vertrauten Geschmack. Ähnliche Standardlebensmittel - Milch, Butter, Kaffee. Nicht jedoch bei Wein - hier werden viele Unterschiede "gepflegt" (Jahrgang).

Vielfalt - Multi-Kultur - alternative Szenen - Biodiversität - sind System-stabilisierend. Vielfaltiges Essen vermindert das Fehlernährungs-Risiko.

Allerdings kann es in der scheinbaren Monotonie auch Unterschiede und Vielfalt geben, wenn man gelernt hat "feine Unterschiede" wahrzunehmen. Beispiel - verschiedene Schnee-"Weiß"-Farben der Inuit in der Arktis. Bei Ernährung - jede Speise zeigt Unterschiede - wenn Menschen sie erzeugen (Handarbeit vs Maschine; Prozess-Automaten)  (Live Musik vs Konserven-Musik).

Beim Essen tritt das "Prinzip der Serie" auf; isst häufig die selben Speisen, doch es gibt immer leichte Unterschiede bei den Speisen und bei den Essenden. Wiederholung kann langweilig sein, aber auch spannend. Die Originalität kann im Wahnehmen von winzigen Abweichung von immer dem Gleichen liegen. (s. auch Serielle Musik)

"I never sing a song the same way twice" (BillyHoliday) „Ich habe schon tausend Lammrücken gebraten und jeder war anders. Und vor allem, nicht alle waren gleich gut“ (Vincent Klink) Zitate S.68 in Häuptling Eigener Herd Nr. 50 – Jazz. Hrsg. von Wiglaf Droste und Vincent Klink. Stuttgart: Edition Vincent Klink 2012

Spittler, Gerd: Lob des einfachen Mahls in Wierlacher/Teuberg - Kulturthema Essen; Berlin, 1993 (download)

Diet Diversity Study (Entwicklungsländer) - Tufts University

31. Juli 2021: Tag der Lebensmittelvielfalt - Obst und Gemüse stehen bei Vielfalt an vorderster Stelle. Fruchtportal 30.07.2021 - z.B. bei Äpfeln ca 20.000 Sorten, bei Tomaten ca 23.000 Sorten
Jedes Jahr kommen etwa 40.000 neue Produkte in den Lebensmittelhandel. Die Verbraucher können in Deutschland aus 170.000 Produkten auswählen / Tag der Lebensmittelvielfalt  Lebensmittel-Magazin 31.07.2020 - 

Vielfältige Angebote (Luxus) - Diversifizierung im Lebensmittelangebot - "Trick" des Marketings - weitere Reize zu setzten; in jedem Bereich - Sortenvielfalt; nächster "Sprung" personalisierte Angebote / "my-müsli" / customizing.  (Innovationen)
Bei einer Vielfalt von kleinen Lebensmittelherstelltern gibt es auch ein vielfältiges Angebot an Lebensmitteln.
170 000 Produkte umfasst der deutsche Lebensmittelmarkt – jedes Jahr kommen rund 40 000 hinzu, ebenso viele verschwinden wieder. Tagespiegel 17.05.2017 (Bericht zum BVE Jahresbericht 2017)  
Gegenwärtig sind im Lebensmittelhandel in Deutschland rund 170.000 Lebensmittel gelistet (Strichcode), rund 30.000 kommen jährlich dazu, und fast ebenso viele verschwinden wieder. (Von der Rampe ins Regal/Logistik - in www.industrie.de  (01.02.2012) (Broschüre: Jedes achte Lebensmittel, das wir kaufen, werfen wir weg.  link bei  www.bmel.de Mai 2014)
Dazu gibt es (klein)handwerklich erzeugte Produkte (ohne elektronische Erfassung).
Die Ernährungsindustrie ist mit über 580.000 Beschäftigten in 5.940 Betrieben der drittgrößte Industriezweig Deutschlands.  Das Lebensmittelangebot von mehr als 170.000 Produkten wandelt sich kontinuierlich. 40.000 neue Produkte kommen jährlich auf den Markt, nur gut 13.000 behaupten sich über zwei Jahre hinaus.  BVE/GfK-Studie "Consumer Choice 2017" (zur ANUGA 2017 in Köln) - Pressemeldung von www.bve-online.de - 09.10.2017 / Die Welt 08.10.2017
Meldung: Amazon fresh bietet 300.000 verschiedene Lebensmittel.  HAZ  25.07.2017

Sortiment (wikipedia)
z.B. DM-Drogerie nimmt im Schnitt 520 Neuheiten monatlich ins Sortiment auf, jährlich gibt es ca. 6.200 Neulistungen. (link)

Chinesischer online Händler Alibaba hat bis zu 583.000 Bestellungen pro Sekunde; mehr als 16 Millionen Artikel stehen zur Verfügung, die von über 3.000 Flugzeugen und Cargo-Schiffen angeliefert wurden. ("Kaufrausch mit Schattenseiten - Der Singles’ Day ist Chinas größtes Shopping-Festival." TAZ 12.11.2020)

(Staatliche, gemeinschaftliche Aufgaben - ein Angebot - Telefon, Strom, Postgebühren usw) (privatisiert - Wettbewerb - durch kleine Unterschiede - große Unsicherheiten, überforderungen für Verbraucher) (aktuelles Beispiel - Freigabe - Liberalisierung - von (Markt)Regeln - Standard-Packungsgrößen aufgehoben; zwar Informationspflicht der Anbieter; doch Vielfalt der Informationen überfordert fast alle Verbraucher (Wirrwarr der Angebote - Gefahr der Täuschung, usw.)

(siehe auch Stromtarife - Stiftung Warentest - Oktober 2009)

"Regelmäßig steigt der Strompreis. Da liegt der Wechsel des Anbieters auf der Hand. Doch 940 Anbieter mit mehr als 10 000 Tarifen machen den Durchblick fast unmöglich. test.de hat nachgefragt: Was ist Kunden wichtig? Wer wechselt und warum? Einige Ergebnisse überraschen. Dazu 16 Stromanbieter und 30 Tarife im Test

http://www.test.de/themen/umwelt-energie/test/-Stromtarife/1807897/1807897/1805384/

Vielfalt der Möglichkeiten - Multioptionen - Problem der Entscheidung - Angst vor der falschen Auswahl; hätte, hätte, Fahrradkette (Konjunktiv)
(Heft No.34, von SuR - Kulturpolitik für Stuttgart und Region, Sep.-Nov 2014 - Themenschwerpunkt: Leben im Konjunktiv) (wikipedia - Konjunktiv)

- Entscheiden. Eine Ausstellung über das Leben im Supermarkt der Möglichkeiten im Museum der Arbeit in Hamburg (26.08.2016 - 29.01.2017) - täglich muß Mensch 20.000 Entscheidungen treffen. ⇒ Südd.Ztg 11.09.2016

Gegen-Strategie im Marketing - Diskounter - übersichtliches Angebot (nicht "1000" Sorten im Bereich x, sondern nur eins und das ist noch günstig, und gute Qualtit - Testergebnisse)

Konzentration - immer größere (Produktions)Einheiten (Rekord) – economy of scale – theoretisch billiger; aber erhöhtes Risiko von Totalverlusten - dagegen „Versicherung“ (Schutzmaßnahmen) – Massentierhaltung – Antibiotika-Einsatz

Lachat, C. et al.: Dietary species richness as a measure of food biodiversity and nutritional quality of diets. PNAS 115 (1) 127-132 doi.org/10.1073/pnas.1709194115 (02.01.2018) (traditionelle Ernährungsweisen zeigen Korrelation zwischen "dietary species richness" und "nutritional quality of diets")
Bird, M.I. et al.: A global carbon and nitrogen isotope perspective on modern and ancient human diet. Proc Nat Acad Sci (US)  118 (19) e2024642118; https://doi.org/10.1073/pnas.2024642118  (11.05.2021)  (ref. Monotonie auf dem Teller - Vielfalt der Nahrungsmittel seit 1910 gesunken.  Tagesspiegel 03.05.2021  "Konzentration auf zunehmend weniger Varianten von Nutzpflanzen und -tieren sowie auf die weltweiten Lieferketten"

WWF and Knorr launch The Future 50 Foods. Press Release von www.wwf.org.uk (download Report)
+ Eat for Good with Knorr’s Future 50 Foods Cookbook. link bei www.knorr.com ⇒ (download - Cookbook)  - deutsche Pressemeldung  11.03.2019: "Rettet die Vielfalt! 50 Lebensmittel, die gut für Mensch und Umwelt sind. Knorr und WWF stellen gemeinsam die "Future 50 Foods" vor. Drei Getreidesorten machen aktuell 60 Prozent unserer gesamten Ernährung aus. 75 Prozent der von uns konsumierten Kalorien stammen aus nur zwölf pflanzlichen und fünf tierischen Lebensmitteln - dabei gibt es weltweit mehr als 20.000 essbare Pflanzenarten. Diese Ernährungsweise fördert Monokulturen und schadet der Umwelt. Was wir brauchen, ist eine neue Vielfalt: Knorr, eine der größten Lebensmittelmarken der Welt, hat daher gemeinsam mit der führenden Naturschutzorganisation WWF die "Future 50 Foods" in Paris vorgestellt. (50 pflanzliche Lebensmittel).

 Doughty, Joyce: Dangers of reducing the range of food choice in developing countries. Ecol. Food Nutr. 8(4) 275-283 (1979) (scan im Archiv) This article is based on a lecture, “Decreasing variety of plant foods used in developing countries” given at the Joint Congress of the Confoederatio Internationalis ad Qualitates Plantarum Edulium Perquirendas (CIQ) and Deutsche Gesellschaft fur Qualitatsforschung (Pflanzliche Nahrungsmittel) E. V. (DGQ) on The Role of Plant Foods in Preventive Medicine, 12–14th September, 1978 at Reading University. The lecture has been published in Qualitas Plantarum, 1979, Vol. 29, Nos. 1–2. Dr. W. Junk b.v. publishers. The Hague, Netherlands.
Dewey; Kathryn G.: Agricultural development, diet and nutrition. Ecol Food Nutr. 8(4) 265-273 (1979) (Scan im Archiv) - subsistence economy - cash food - market economy - many cases of worsening of quality of life by agricultural developments of this kind.

"Einheit in Vielfalt" ist ein Motto für Europa - wikipedia

Im Industrialisierungs-Zeitalter wurde (Hand)Arbeit der Menschen (Handwerk) durch Maschinen ersetzt (Technik, Industrie). So gibt es immer weniger individualisierte Produkte - bei Lebensmitteln, in der Kleidung, im Haushalt, in der Musik... - sondern standardisierte, gleichförmige, genormte Produkte. (z.B. schon 1937 von G.Orwell beschrieben in: "Kreativität und Lebensqualität."  link bei www.detopia.de - (download) (auf deutsch erstmalig 1980 in der Zeitschrift <Tintenfaß> Diogenes-Verlag) (Essays von G Orwell bei www.george-orwell.org ) (Orwell, G.: Gerechtigkeit und Freiheit  - Sätze für Zeitgenossen - Gedanken über Selbst­verwirklichung,
Kreativität und Lebensqualität. Diogenes-Verlag 1982)

Notizen aus Aufsatz "Die Sehnsucht nach Überfluss" (Quelle: Time-Life-Serie zu nationalen Küchen , z.B. Frankreich, Italien, Indien usw; unbekannt, im Archiv)
frühere Vielfalt: alte Römer - 24 Sorten Trockenfeigen, 40 Sorten Datteln; 
Mittelalter: 60 verschiedene Gewürze; kultivierte Pflanzen + Wildepflanzen
Spanien Guipuzcoa - 33 Arten Salzwasserfische
- im 17.Jahrhundert - viele verschiedene Obstsorten, z.B. 400 Birnensorten, die kleinste wurden zu sieben Stück aufgefädelt (sept-en-geule - Siebn im Maul)
Koch Menon (18.Jahrh) in La Cuisiniere Bourgeoise (1774)  50 versch Gemüse + 50 Kräutersorten - 40 versch Fischarten -
Man pflegte die Eigenarten - träumt nicht von Vereinheitlichungen - Standardisierungen - es gab die kulturelle Neugier - verschiedene Sorten zu entdecken
(Charles de l´Escluse) - moderner Lebensmittelmarkt - Konzentration auf wenige standardisierte Rohstoffe - und davon viele "gleiche" Varianten produziert -
traditionelle charakteristische Geschmackskulturen gehen verloren -