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Geschmack hat (mindestens) zwei Bedeutungsbereiche; es ist der (physiologische) Sinn schmecken zu können (gustatorische Wahrnehnung), so kann der Geschmack der Lebensmittel (der Speisen, des Essens) wahrgenommen und beurteielt werden. 
(auch biologische Prägung - Epigenetik; z.B. Vanillisierung des Geschmacks; via Schwangeren Nahrungspräfenzen - "beeindrucken" das (Un-)Neugeborene

Geschmack ist ebenso ein Wort das das ästethetische Urteilsvermögen eines Menschen bezeichnet; der Mensch hat z.B. einen guten Geschmack (Kultur), oder er benimmt sich "geschmacklos". (Geschmacksurteil - differenzierte Antwort auf Fragen: Wie hat Ihnen die Ausstellung gefallen?)

Geschmack hat biologische Basis, doch wird kulturell geprägt (also biopsycho-soziokulturell). Eltern und die soziale Umwelt prägen den Geschmack; innerhalb einer Gruppe gibt es bestimmte Geschmacks-Strukturen; sie können zu den Lebensregeln (Sitten und Gebräuchen) gezählt werden; wer in der Gruppe davon abweicht; fällt auf - Aussenseiter).

Ein geprägter Geschmack, besonders der bezüglich des Essens, gilt es als stabil - d.h. es gibt das Postulat vom Geschmackskonservatismus der Menschen.

Ernährungsverhalten gilt als stabil, doch dies gilt nicht allgemein. Teile sind genauso den Moden (Trends) unterworfen, wie andere Lebensbereiche von Menschen. (es gibt zu allem "IN" und "OUT" Listen).

Allerdings gibt es Bereiche im Ernährungsverhalten die sehr stabil sind, und die dann quasi dazu führen, dass gesagt wird, "eher vergisst der Ausswanderer seine Sprache, als seine Ernährungsgewohnheiten". Diese stabilen bereiche liegen in den Prägungen des Geschmacks in der Kindheit (Geruchs-Erinnerung; schmeckt wie zu Hause).

Es zeigt sich in den regionalen Speisen (trotz Globalisierung)

Ulrich Tolksdorf prägte dazu den Begriff des "Geschmackskonservatismus" (Fall-Bespiele an ostpreussischen Flüchtlingen und ihren Vorlieben für Majoran)

U. Tolksdorf: Nahrungsforschung. In: Rolf W. Brednich (Hg.): Grundriß der Volkskunde. Berlin 1994, 229-242.

Studien dazu
z.B. Diplomarbeiten (OLT): Rosmarie Kolep; Cornelia Serve. (OLT 052) Text -- Info

Deike Eulenstein: Die Ernährungsweise und -situation in der DDR und die Veränderung nach der Wiedervereinigung am Beispiel Thüringens Magisterarbeit, (Uni Köln) 2004, 95 Seiten; GRIN-Verlag (2007) - ISBN-10: 3-638-86838-9 (auch als Google-Buch)  

Andrea Hansmeier: "Kraut, Würste, Bier ..."- Essen und Trinken in Deutschland. Möglichkeiten und Grenzen von hypermedialen Programmen im fremdkulturellen Verstehensprozeß. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. Erstgutachter: Dr. Rolf Ehnert Zweitgutachter: Professor Dr. Bernd Switalla Bielefeld 1997; MATEO Monographien Band 6 Mannheim 1998; ISBN: 3-932178-07-6 -

Lesniczak, Peter: Alte Landschaftsküchen im Sog der Modernisierung. Studien zu einer Ernährungsgeographie Deutschlands zwischen 1860 bis 1930. Studien zur Geschichte des Alltga Bd.21, Franz Steiner Verlag, 2003

Schramm, M.: Konsum und regionale Identität in Sachsen 1880-2000. Die Regionalisierung von Konsumgütern im Spannungsfeld von Nationalisierung und Globalisierung. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2002 (VSWG-Beiheft No.164) (Dissertation Uni Leipzig, 2001)

Vogl, Isabel: Ernährung vietnamesischer Migrantinnen in Österreich während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Eine ethnografische Datenerhebung in Wien und Oberösterreich. Diplomarbeit, Uni Wien, 2012 ( Studienrichtung: Kultur- und Sozialanthroplogie; A-307 Betreuerin: Dr. Christine Binder-Fritz - download) http://othes.univie.ac.at/19426/1/2012-03-27_0503830.pdf

Geschmackskonservatismus (Definition im Lexikon der Ernährung - Spektrum Verlag - online - link)
"Kontinuität der Nahrungsvorlieben und Nahrungsaversionen in einer Gesellschaft. Geschmackspräferenzen und -abneigungen sind zum Teil angeboren und zum Teil erworben. Allein der häufige Kontakt mit Speisen führt zu einer Präferenz für das entsprechende Nahrungsmittel (mere exposure effect). Auf diese Weise wird durch die Essgewohnheit die Nahrungsmittelpräferenz von einer Generation an die nächste weitergegeben. Der G. war Jahrtausende lang für das Überleben der Menschheit von immenser Bedeutung. Andererseits erschwert sie bei ungünstigem Essverhalten in einer Familie eine Verhaltensänderung im Sinne einer gesunden Ernährung."