Heinrich Kraut (* 2. 09.1893 in Stuttgart; gest. 23.06.1992 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Chemiker und Ernährungsforscher. Leiter des Max-Planck-Instituts für Ernährungsphysiologie in Dortmund.
Kraut war der Sohn des gleichnamigen württembergischen Politikers Heinrich von Kraut. Kraut studierte in Tübingen, Stuttgart und München Chemie. Er promovierte 1921 in München, die Habilitation folgte 1925. Im August 1928 wurde er Leiter der Abteilung Chemie des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie; diese Abteilung wurde 1956 von der Max-Planck-Gesellschaft in das Institut für Ernährungsphysiologie umgewandelt.
Kraut wechselte an die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster und wurde dort 1932 außerplanmäßiger Professor. Am 1. Mai 1937 trat er in die NSDAP ein. In der Folge widmete er sich der Ernährungsphysiologie und war als Berater des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft tätig. Für dieses führte er u.a. die Krautaktion durch, ein Großversuch an Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen im Gau Westfalen-Nord und Gau Westfalen-Süd. Er berechnete den Nahrungsbedarf für verschiedene Bevölkerungsgruppen, die als Kraut’sche Normen im Zweiten Weltkrieg die Grundlage für die Zuteilung der Rationen waren. Für seine Arbeiten erhielt er das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. Nach Kriegsende erstellte Kraut Gutachten für die Verteidigung in den Nürnberger Prozessen gegen Flick, Krupp und die I.G. Farben. Dabei gab er am 17. März 1948 eine eidesstattliche Erklärung zur Ernährung im KZ der I.G,-Farben Auschwitz-Monowitz ab, in der er behauptete: „Immerhin genügten die Rationen der Häftlinge an Eiweiß und Fett, um Ernährungsschäden durch Eiweiß- und Fettmangel zu verhindern“. Diese Aussage entsprach nicht der Wahrheit, denn die Lebenserwartung im KZ Auschwitz-Monowitz betrug im Normalfall nicht mehr als drei Monate.
Kraut gehörte 1953 zu den Mitbegründern der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und war von 1956 bis 1958 deren Präsident.
1963 erhielt er das große Bundesverdienstkreuz und die Ehrendoktorwürde der medizinischen Fakultät Münster.
1964 gründete er im Auftrag des Max-Planck-Institutes eine Forschungsstation in Bumbuli in Tansania, die "Max-Planck-Nutrition Research Unit", die heute nicht mehr existiert. Sie wurde von der Kübel-Stiftung als beispielhaftes Projekt der Entwicklungshilfe ausgezeichnet. Von 1968 bis 1973 war Kraut Präsident der Welthungerhilfe, die 1972 einen „Professor-Kraut-Preis“ stiftete.
In einem Nachruf wird auch eine Ehrendoktorwürde der Universität Beersheba in Israel erwähnt. „Die Ehrung ist vermutlich in Unkenntnis seiner NSDAP-Mitgliedschaft, seiner Forschungen über Ernährung und Leistung während der NS-Zeit und seine Gutachtertätigkeit im Rahmen der Nürnberger Prozesse erfolgt.“
Joachim Kühnau: Professor Heinrich Kraut 70 Jahre, in: Zeitschrift für Lebensmitteluntersuchung und -Forschung A, Volume 125 (1963) 103-106, DOI: 10.1007/BF01811052
Dietrich Eichholtz: Die „Krautaktion“. Ruhrindustrie, Ernährungswissenschaft und Zwangsarbeit 1944, in: Ulrich Herbert (Hg.): Europa und der „Reichseinsatz“. ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland 1938–1945, Essen 1991, S. 270–294.
Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 337.
Irene Raehlmann: Arbeitswissenschaft im Nationalsozialismus: eine wissenschaftssoziologische Analyse, VS: Wiesbaden 2005, S. 107.
Theo Plesser (Hrsg.), Hans-Ulrich Thamer (Hrsg.): Arbeit, Leistung und Ernährung. Vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie in Berlin zum Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie und Leibniz Institut für Arbeitsforschung in Dortmund. F Steiner-Verlag; Reihe Pallas Athene Band 44 , 2012
u.a. Ulrike Thoms (Dateien im Archiv) (Rezension ) (MPG-Mitteilung)
zum 65.Geb - Ernährungs-Umschau 1958, S.115
zum 70.Geb - Sonderband Nutrio et Dieta Vol.5(2) 81-290 (1963) Aktuelle Fragen der Ernährungsphysiologie: Arbeiten aus dem Max-Planck-Institut für Ernährungsphysiologie, Dortmund.
- Glatzel,H.: Heinrich Kraut (Widmung) S.83-86
Zum 80.Geb. - Fest.Kolloquium am MPI Dortmund. Ernährungs-Umschau 20(11), 105-106 (1973)
Nachruf: Heinrich Kraut 1893-1992 (Stübler + Oltersdorf - HuW Nr.5, 1992, S.239-240)
Todesanzeige in der FAZ 26.02.1992
Kraut-Archiv - Eiselen-Stiftung (link)
Kraut,H.: Ernährungsforschung und Entwicklungshilfe in Tanzania. Ern.Umschau 1970 + Mitt der MPG
Wikipedia - (Liste der Persönlichkeiten von Stuttgart)
Kraut, H.: Der Nahrungsbedarf des Menschen. D.Steinkopff, Darmstadt 1981. - google books (Nahrungsenergie / Protein)
Kraut, H.: Ernährung und Leistungsfähigkeit. In R. Abderhalden (Ed.), Die Grundlagen unserer Ernährung: eine Vortragsreihe (pp.175-186). Stuttgart: Alfred-Kröner-Verlag
Kraut, H.: Ernährungsaufklärung in Deutschland und in den USA. S.29-39 in Mainzer Kongressvorträge 1954 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Frankfurt a.M., Deutsches Gesundheits-Museum, Köln (im Archiv)