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Analog den Versuchen die Lebensmittel zu kategorisieren, gibt es auch verschiedene Versuche die Speisen / Zubereitungen einzuteilen.

- biologisch-funktionell - bezug zu Hauptbestandteil (z.B. Kartoffelspeisen)
- bezug zur Bearbeitungstechnik (Koch-Gar-Verfahren)

- ernährungskulturell - in bezug zur Mahlzeit; zur Reihenfolge innerhalb einer Mahlzeit (Menu); z.B. Vorspeisen
- selbstzubereitet (Familien"rezepte; Hausmannskost usw.
 - Fertigspeisen- Industriell erzeugte Speisen - Fertiggerichte

- psychologisch - Lieblingsspeisen; Vertrautheit - (Familie; wie bei Mutter; regionale Speisen, einheimische vs. fremde - exotische Speisen

- ökonomisch - Arme-Leute-Kost

Eine sehr interessante und überzeugende Gliederung stammt vonKarin A. Lucas: Die Formate des Essens. Nahrungszubereitung als kultureller Akt. Das Essen der Welt in 15 Formaten. - www.kunsttexte.de  – Nr 3/2009 – 10 Seiten - download.
Die Formate des Essens - hier nun Speiseformate genannt - haben als Hintergrund, die Fähigkeiten von Menschen das Streben nach "Überwindung" des Hungers (Nahrungssicherheit) zu verbessern.
Menschen können (wie Ratten und Schweine) (fast) alles essen; doch es gibt keine Pflanze und kein Tier, das alleine ausreichend für menschlichen Ernährungsbedürfnisse (Nährstoffbedarfe) ist; sondern nur passende Kombinationen von unterschiedlicher Nahrung können dies erfüllen.

Die erworbenen Techniken des Anbaus und der Züchtung; die Nutzung des Feuers (Garen), die Techniken der Haltbarmachung; die Kultur(Techniken; Agrarkultur; Ernährungskultur) - die Umwandlung von "roh" (Natur) führte zu einer Erweiterung des Nahrungspotentials.(Mutationen der Menschheit)(dichotom; binär - roh - gegart; Claude Levi-Strauss).

Die "Mundgerechtigkeit" der Speisen (Mund - Bissen; voller Mund; kauen) ist ein weiterer Faktor für die Speisenentwicklung.

Es gibt global gesehen eine unüberschaubare Zahl an Speisen und Zubereitungen (Küchen der Welt), doch jede Kultur bedient sich der gleichen Formate, auch wenn diese aus anderen Grundnahrungsmitteln „zusammengesetzt“ sein können (Lucas).

Menschen verzehren weiterhin ausgewählte natürliche, unveränderte Lebensmittel (Rohkost) - es sind Obst, Nüsse, Samen; Ölsaaten (Oliven); Gemüse; Eier, Milch, ua. (wobei auch hier "technische" Bearbeitungen vorkommen; schälen, knacken usw).
Die eigentliche Verarbeitung (Kochen; Ernährungskultur; Kulinaristik) schafft die Speiseformate (Speisekategorien).

Die technischen Prozesse beim Kochen (Lebensmittelverarbeitung) (scale - private Küche, Großküche; Lebensmittelhandwerk; Lebensmittelfabrik,- industrie) sind vielfältig:
- physikalische mechanische Verfahren (z.B. Mahlen; Schneiden, Zerkleinern usw)
- physikalische thermische Verfahren (Kochen, Braten, Kühlen; Trocknen usw.
- (bio)chemische Verfahren (Salzen, Säuren, Fermentieren usw.)

Bei allen Verfahren gibt es entsprechende technische Geräte (Haushhaltsgeräteliste).

Die Speisen bestehen in der Zubereitung von Lebensmitteln (nach gegebenen Vorschriften, Rezepten); die Formate (Kategorien) der Speisen ergeben sich aus diesen Prozessen (Abläufen) (und nicht aus der entstehenden Form). Die Formate sind funktional bedingt, d. h. sie beachten die funktionalen Ziele, wie Lagerfähigkeit, Haltbarkeit; Portionierung ("mundgerecht") und Genuß (Geschmack) (Lucas)
Das Format ist ein Konstrukt der allgemeinen Formel:
Zutaten + Zubereitungstechnik = Format (Kategorie)
(siehe auch Definition von Mahlzeit - Tolksdorf) (Mahlzeiten-Muster)

Neben der Sprache gilt Essen als Signium nationaler Identität. So grenzen sich Nationen gegenüber anderen übers Essen ab, im Guten wie im Schlechten. Man ist stolz über 'eigene' Errungenschaften (z. B. Käse, Wein, Pizza) aber diskreditiert auch gerne über bestimmte Essensformate. Im weiten Feld des Essens findet man jedoch eigenartiger Weise ähnliche bzw. gleiche Formate. Formate sind interkulturell vertreten. Ihre Anzahl ist begrenzt. Formate sind universell, sie sind global auf dem Erdball vertreten. (Lucas)

Kategorie/Format 1: Tier bearbeitet (auch ein Teilstück) (nach Lucas) (s. Lebensmittel-Kategorie Fleisch):
Das geschlachtete unbearbeitete Tier ist an sich kein Format.  Tiere werden zerlegt, jedes Teil(stück) erhält einen Namen, wie z.B. Schinken; auch Innereien, wie Leber  usw. Es gibt auch weiterverarbeitete ganze Tier, wie Fische.

Kategorie/Format 2:  Masse/Teig geformt (nach Lucas)
'Masse' und 'Teige' sind der Oberbegriff für alles Vermengte. Die Zutaten werden zerkleinert (z.B. mahlen von Getreide) damit sie vermengbar sind. Zutaten werden zu etwas Neuem vermengt und vom Menschen in eine Form gebracht (z.B. Kneten). Dazu gehört auch das gleichmäßige Verteilen unterschiedlicher Stoffe: fest-fest, fest-flüssig, flüssig-gasförmig, flüssig-flüssig. Beispiele: Brot; Kuchen; Nudeln; Klöße, Knöderl; Klopse, Falafel u.a. - mit verschiedenen Zutaten; Formen, Dekors.
(Die Nudel ist wahrscheinlich eines der ersten verarbeiteten Grundnahrungsmittel; ist eine Nahrungskonserve. „Mit den Nudeln hat die Globalisierung der Ernährung begonnen: Vor 4000 oder 6000 Jahren.“Die Italiener sind das einzige Volk in Europa, das seine Kohlenhydrate als separaten Gang vor dem ‘secondo’ (zweiten Gang) bestehend aus Fleisch und Gemüse, einnimmt.  Nudeln werden in Asien nebst Weizen auch aus Buchweizen, Reis, Hirse, Hafer, Mung- und Sojabohnen, Erbsen, Algen, Tofu, Wasserkastanien, Süßkartoffel-, Kartoffel-, Jamswurz-, Tapioca-, Mais-, Agar-Agar und Pfeilwurzstärke gemacht.
Unterformat: Masse geformt und belegt - Beispiele: Nigiri Sushi und Oshi-Sushi
Unterformat: Teig gefüllt; Teigtasche, Pastete, Krapfen, Windbeutel u.a. 

Kategorie/ Format 3: Masse verpackt (nach Lucas)
Das Vermengte wird durch eine weitere Zutat, der Hülle, in Form gebracht. Es entsteht ein eigenes Format.
Beispiele: Wurst; Galantinen, Ballotine, Terrine.

Kategorie/Format 4: Masse/Teig geschichtet (nach Lucas)
Die Schichtung von Masse ist eine eigenständige Art der Zubereitung. Das Vermengte wird durch eine weitere Zutat, einer anderen Schicht, in Form gebracht. Hier können Massen und Teige zusammen kommen.
Beispiele: Auflauf, Gratin, Lasagne, Torte

Kategorie/Format 5: Teig belegt (nach Lucas)
Das Belegen von Teig ist ein eigenes Format, weil es den Teig geformt noch um mindestens eine weitere Zutat ergänzt, die ihm aufgelegt wird. Diese Kombination von Zutaten (Teig + Belag) kreiert neue Gerichte.
Beispiele: Pizza, Döner Kebab, Sandwich, Canapée, Hamburger, Kuchen belegt, Tartes

Kategorie/Format 6: In gebundener Flüssigkeit gegart (nach Lucas)
Zutaten werden unter Wärmebehandlung in Flüssigkeit gegart. Zutaten wie z. B. weisse Bohnen, Linsen oder Kartoffeln brauchen kein gesondertes Bindemittel, da ihre Hauptbestandteile eine gute Bindung besitzen. Andere Bindemittel können sein: Mehl, Ei, Sahne usw. Es entstehen dickflüssige Speisen.
Beispiele: Ragoût, Eintopf, Gebundene Suppen, Brei, Püree, Porridge, Flammerie/Pudding.

Kategorie/ Format 7: Flüssig bis dünnbreiig (nach Lucas)
Flüssiges (Wasser, Milch, Öl usw.) mit mindestens einer anderen Zutat.
Beispiele: Klaren Suppen, Brühe/Fond, Fondue Chinoise, Kaltschalen.
Sauce oder Soße ist eine flüssig bis sämig gebundene, würzende Beigabe zu verschiedenen Warm- und Kaltspeisen, Salaten und Desserts.
Beispiele: Mayonnaise, Remoulade, Aioli, Cocktailsauce, Sauce Tartare. Salatsaucen, Dessertsaucen,
Muesli.

Kategorie/Format 8: Schaumige Masse (nach Lucas)
Durch das Aufschäumen von Masse (auch Flüssigkeit) entsteht eine eigene Konsistenz. Die Zubereitungsart sowie das Resultat (Endprodukt) sind einzigartig.
Beispiele: Schaum, Meringue, Soufflé

Kategorie/Format 9: Masse gefroren (nach Lucas)
Zutaten in gefrorenem Zustand. Ein eigenständiges, unverwechselbares Format, dass durch den Vorgang des Einfrierens etwas Neues kreiert, nämlich den Aggregatzustandwechsel eines Stoffes, von flüssig nach fest.
Beispiele: Eis, Granita.

Kategorie/Format 10: Masse fermentiert (nach Lucas)
Der natürliche Vorgang des Fermentierens wird hier gezielt eingesetzt, um etwas Neues zu kreieren und haltbar zu machen.
Beispiele: Sauermilchprodukte von Kuh, Schaf, Ziege, Wasserbüffeln, Käse, Quark, Joghurt, Kaschk (Joghurtmasse getrocknet).
Gärungsgemüse (wird nicht gekocht). Beispiele: Salzgurken,
Sauerkraut, Kimchi (Koreanische Zubereitung für Chinakohl oder Rettich), Tsukemono (japanisches, eingelegtes Gemüse), Nattō (ein traditionelles, sehr nahrhaftes japanisches Lebensmittel aus vergorenen Sojabohnen).
„Aus Tieren“ Beispiele: Fermentierter Fisch: Surströmming (schwedische Fischdelikatesse, die durch Säuerung konserviert), u.a.
Fermentiertes Fleisch: Salami
fermentierte Eier

Kategorie/Format 11: Eingemachtes (nach Lucas)
Das Einmachen von Zutaten ist ein eigener Prozess, der dem Konservieren dient.  Dabei ist immer die Behandlung der Zutaten mit Hitze ausschlaggebend.
Beispiele: Paste:  „Eingemachtes Tier”: Corned Beef, „Eingemachtes Obst und Gemüse”: Marmelade/Konfitüre, Gelee, Kompott, Chutney/Relish
Verfestigter Saft: Gelee, Gelatine, Aspik

Kategorie/Format 12: Eingelegtes (nach Lucas)
Das Einlegen von Zutaten bedarf, anders als das Einkochen, keiner thermischen Behandlung. Aufgrund dieser Zubereitungsart entsteht etwas Neues.
Beispiele: Soleier, Bismarckhering, Rollmops.Beispiele für „Essiggemüse (ohne Gärung)”: MixedPickles oder Pickles, Gewürzgurken oder Essiggurken, Cornichons, Senfgurke.

Kategorie/Format 13: Behandelte Derivate vom Tier (nach Lucas)
Dieses Format beinhaltet alle vom Tier gelieferten Produkte (Derivate), die vom Menschen so behandelt werden, dass sie für ihn genießbar werden. Rohe Produkte (Eier, Milch) gehören nicht dazu.
Beispiele für „Milchprodukte”: Butter, Butterschmalz/Ghee, Sahne/Rahm, Clotted Cream, Öröm, Molkepulver.
Beispiele für „Eier behandelt”: Hühnerei, Entenei, Gänseei, Kiebitzei, Mandarinenentenei, Möwenei, Perlhuhnei, Straussenei, Puten- oder Truthahnei, Taubenei und Wachtelei. Pochiertes Ei, Rührei, Spiegelei, Eier im Glas, hart gekochtes Ei.
Beispiel für „Öle”: Lebertran

Kategorie/Format 14: Salate (nach Lucas)
Kombination von rohen und/oder gekochten Zutaten, die erst in ihrer Vermengung eine Speise ergeben.Die Kombination wird mit kaltem oder lauwarmem Salatdressing angereichert. Zubereitung aus rohem und gekochtem Gemüse oder anderen Nahrungsmitteln, die mit einer kalten (warmen) Sauce angemacht werden. Salatgerichte können pikant oder fruchtig sein.
Beispiele: Kartoffelsalat, Wurstsalat, grüner Salat, gemischter Salat, Obstsalat usw.

Kategorie/Format 15: Rohkost, Getreide, Ölfrüchte und -saaten thermisch behandelt (nach Lucas)
Dieses Format berücksichtigt die einfache thermische Behandlung von Rohkost. Der Mensch geht hier nur einen Schritt, um die Natur (Rohkost) zu verändern, in dem er sie thermisch behandelt.
Beispiele: Kartoffel, Kartoffelstäbchen: Pommes frites, gedünstete Karotten, gekochter Reis, gekochter Spargel, Erbsen in Butter, Bratapfel, Bohnen, Kartoffeln usw.
Pflanzenöle zählen zu den Fetten und Ölen, welche aus Ölpflanzen gewonnen werden. Ausgangsstoffe zur Herstellung von Pflanzenöl sind Ölsaaten und -früchte. Das Pflanzenöl wird durch Auspressen und Extrahieren von Ölfrüchten und -saaten gewonnen. Als Rohstoffe werden die Samen (Raps, Sonnenblumen, Nüsse) oder auch das Fruchtfleisch (Ölpalme, Olive) der Pflanzen verwendet.
Beispiele: Sonnenblumenöl, Weizenkeimöl, Sesamöl, Traubenkernöl, Olivenöl, Reisöl, Leinöl usw.

Netflix-Serie "Ugly delicious" (link) (Koch David Chang)  (TAZ 04.05.2018)
Lukas Diestel sammelt irre Rezepte von chefkoch.de auf dem Blog „Worst of Chefkoch“. (TAZ 04.05.2018)

Brake, M.: Stockholmer Restaurant „Brutalisten“ : Des Kaisers neue Teller - Im Restaurant „Brutalisten“ in Stockholm ist pro Gericht nur eine Zutat erlaubt. TAZ 24.06.2023

Froelich, Dieter: Topografie der Gemengsel und Gehäcksel. Tinto-Verlag, 2010.
Der Künstler stellt die Prinzipien von Speisegruppen dar - wer zB der Prinzip eines Knödels erkennt und versteht, kann alle verschiedenen Knödel kochen. Gruppen sind: Klöße, Pudding, Klopse, Wurst, Terrinen, Pastete.