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Soziale Organisation der Ernährungsversorgung – Dienstleistung Gemeinschaftsverpflegung

Obwohl traditionell der Lebensmittelverzehr an das (private) Haus  gebunden ist, hat auch der Außer-Haus-Verzehr Tradition, denn auch früher gab es Zeiten, die Menschen ausser Haus verbrachten.  Im Wandel der Gesellschaft haben sich die Orte an denen Menschen aus dem Haushalt ausgelagerte Tätigkeiten nachgehen müssen und wollen "ausgebreitet". In diesen Zeiträumen benötigen Menschen Essen. Ein anderer Gesichtspunkt sind die sozialen Kontakt zwischen den Menschen. Menschen laden zum Essen ein; haben Gäste; bieten Unterkunft; geben "Asyl". So gibt es ein Konituum von internen Privthaushaltsaufgaben zu denen der Groß- und Gemeinschaftshaushalte (Familienfeiern zu Hause <Gastmahl> - Partyservice; privates Gästezimmer - Privat Pension). Diese Funktionen übernehmen die komplexen Strukturen der Gemeinschaftsverpflegung, die Teile des Ernährungssystems sind.

Der Markt des  Außer-Haus-Verzehrs ist gut untersucht. Es gibt wichtige Marketing-Aktivitäten. Er ist Teil des Agribusiness (Glossar) und die  Dienstleistungen erwirtschaften einen Mehr-Wert in der Nahrungskette.  Wichtige Teile der Ausser-Haus-Verpflegung sind mit Arbeit (bzw. Ausbildung) gekoppelt; d.h. Kantinenessen (Schulspeisung; Mensa); „Stammessen“ in Gaststätten; Essen am Imbiß bzw. der Stehtheke im Einzelhandel; das Arbeitsessen, aber auch die Feiern am Arbeitsplatz und beim Betriebsausflug. Im Freizeitbereich sind zu nennen: das Essengehen mit der Familie und/oder Freunden in Restaurants; das Essengehen im Rahmen von touristischen Unternehmungen (Essen im Flugzeug; im Speisewagen; auf Raststätten) (Reise-Gastronomie) und während des Urlaubs (in Hotels und Pensionen). Dazu kommen viele weiteren Freizeit-Ess-Situationen.

Der Ausser-Haus-Verzehr kann in folgende Bereich untergliedert werden (es gibt Überlappungen, eine strikte Abgrenzung ist schwer)

Individualverpflegung:

  • Restaurants: Gast- und Speisewirtschaften (180.000); Restaurants in Hotels (45.000), Gasthöfen, Pensionen; Kaufhausrestaurants; Kettenrestaurants (Systemgastronomie; Franchising);
  • Reisen/Transport: Autobahnraststätten / Bahnhof und Zug / Flughafen und Flugzeug / Schifffahrt
  • Imbiss- und Snackbetriebe: einzelne / Ketten / im LEH; imFreizeitbereich

Gemeinschaftsverpflegung:

  • Betriebsverpflegung – Kantinen, Betriebsrestaurants (9000)
  • Verpflegung im Bildungs-Bereich: Kindergärten, Schulen (nur geringe Anteile), Hochschulen (ca 700 Mensen); Bildungsstätten; Schullandheime, Jugendherbergen (ca 500)
  • Anstaltsverpflegung: Gesundheitsbereich – Krankenhäuser (ca 21000), Kur-, Rehabilitations- und Erholungseinrichtungen; Behinderteneinrichtungen; Sozialbereich – Obdachlosen-Betreuung;  Kinder- und Altenheime; Justizvollzugsanstalten (ca.200); Bundeswehr (unter 400);
  • Mahlzeitendienste; Caterer (10.000) ; Essen auf Räder (ca 2.000)

Insgesamt werden ca 43 Mrd € im Ausserhaus-Verzehr in Deutschland umgesetzt (ZMP 2006; 2007) und 15 Mrd  € in Österreich (Gastro Obsearcher). Die Entwicklung in den einzelnen Bereichen ist unterschiedlich. In diesem Wirtschaftssektor hat ein bedeutender Konzentrationsprozess stattgefunden. Es wird ebenso immer mehr Küchendienstleistungen ausgelagert, indem teil- und vorgefertige Lebensmittel (TK-Kost; chilled food) eingesetzt werden. In weniger als ein Viertel der Betriebe wird frisch gekocht. Wachstumsmarkt ist nicht das Betriebsrestaurant (Businesse-Caterer), sondern die Klinik und die Heime (Care-Caterer). Das Spektrum der Institutionen ist auch hier breiter geworden, da immer mehr soziale Aufgaben von der Familie weg an Dritte verlagert werden. Viele Menschen leben allein und haben kein Netzwerk, das sie im Notfall unterstützt Das Ergebnis der Arbeitsstättenzählung  ergibt ca 50.000 solcher  Anstaltshaushalte, die teils staatlich und teils privatwirtschaftlich organisiert sind.

Die Zahl der Mahlzeiten ausser Haus wird sich weiter erhöhen, doch die Menge an dabei verzehrten Lebensmittel wird in geringerem Umfang steigen. Die preiswerten und Convenience Segmente haben höhere Zuwachsraten, währened Personal-intensive Ausser-Haus-Mahlzeiten eher ruckläufige Tendenzen zeigen.
Der statistische Deutsche nimmt gegenwärtig (2000) wöchentlich 3,2 Mahlzeiten ausser Haus ein, wobei für eine Mahlzeit weniger als 5€ ausgegeben werden. Dieser Anteil von ca 15% an allen Mahlzeiten ist eine beachtliche wirtschaftliche Grösse; es sind etwa 90 Mrd. €. Die privaten Haushalte geben ca 150 Mrd. €  für das Essen zu Hause aus, also für die restlichen 85% der Mahlzeiten. Der Trend, Druck auf bestehende Mahlzeitentraditionen auszuüben, hält an. Ökonomische Grenzen sind eine Barriere. Die Grenzen zwischen Eigenversorgung und Auss-Haus-Verzehr werden fliessender ( „Take-Away“;  "Food to Go"; „Home-Delivery“). Die Qualität des Ausser-Haus-Verzehrs scheint abzunehmen, es wird sparsamer und einfacher gegessen.
Die Zahl der ausser-Haus essenden Menschen  hat in den letzen Jahrzehnt auf maximal 59 Millionen zugenommen. Damit scheint für Deutschland eine Obergrenze erreicht zu sein. Überdurchschnittlich Ausser-Haus essen Männer und Jugendliche; die Über-65-Jährige tun dies weniger. In den Großstädten wird überproprotional mehr ausser Haus gegessen.
Bezüglich der Ausgaben für verschiedenen Mahlzeiten ausser Haus, zeigt sich, dass für Mittagessen und Abendessen am meisten ausgegeben wird. Die Ausgaben pro Essen während der Woche sind recht gleichmässig und niedriger als an Wochenenden.

Der Freizeit-Bereich im Ausser-Haus-Verzehr ist sehr dynamisch und stark untergliedert. Der traditionelle Restaurant- und Gaststättenbereich zeigt rückläufige, bestenfalls stagnierende Tendenzen. Aber analog dem Lebensmitteleinzelhandel zeigen sich Konzentrationen und Bereiche mit Zuwachsraten; das sind hier die System-Gastronomie (Marktführer McDonald).  Ein dynamischer Zweig ist auch das Event-Catering. Parallel mit den Urlaubstrends und -strömen (Mobilität) einhergehend verändert sich auch die Verkehrs- und Reisegastronomie. 

Die Erosion der Mahlzeiten wird durch die Umstände begünstigt, dass Verbraucher an verschiedenen Orten essen wollen bzw. müssen (Mobilität). Wie auf dem Weg zur und von der Arbeit (im ÖPNV oder im Auto) (Pendeln); beim Einkaufen in der City, usw. Hier kann es als zeit- und geld-ökonomisch bewertet werden, im Stehen und Gehen zu essen (Imbiß, Snack; Finger Food, Take away).

Die Gemeinschaftsverpflegung ist eine Personal-intensive Dienstleistungstätigkeit. Die Arbeitssituation ist in vieler Hinsicht problematisch: ungeregelte Arbeitszeiten (und Zwang zu arbeiten, wenn andere Feierabend haben); und relativ geringe Verdienste (soziale Werte).  Die staatliche Kontrolle setzt hier ein, und ist auch hinsichtlich von Lebensmittelsicherheit (Hygiene) wichtig.  Die Gemeinschaftsverpflegung ist in in vieler Hinsicht ein Spiegelbild der Gesellschaft. Viele optische und inzenierte Gastlichkeit (wie es dahinter aussieht will kaum jemand wissen); große Happen (Portionen) zum "Schnäppchen"-Preis; unangenehme Dienstleistungen werden an "Dienstpersonal" delegiert. Es gibt in den niederen Kategorien des Gastpersonals einen hohen Anteil an ausländischen Arbeitskräften.
Gemeinschaftsverpflegung - die Gastronomie - hat viele weitere gesellschaftliche Dimensionen. Sie ist Treffpunkt von verschiedenen Personen. Es gibt  Strukturien der Gäste, der Bewirtungsanlässe und der Anbieter (Innenarchitektur, Ambiente der Räume). Imbiss-Bude, Kneipe, Restaurant oder Café unterscheiden sich charakteristisch im Angebot, bei den Gästen und der Kommunikation. Die Angebote (Speisekarten) zeigen existierende Nahrungspräferenzen und unterliegen Trends; es gibt verschiedene regionale, internationale "Küchen". Es ist ein bedeutener ökonomischer und kultureller Faktor. Ein gutes Image der Gastronomie einer Region (eines Landes) ist ein Standortfaktor (Werbung; Philatelie-Café).

Die Ausser-Haus-Verpflegung gilt als guter Ansatzpunkt (Setting), verbesserte Ernährung zu propagieren. Sie sollte Teil der wichtigen betrieblichen Gesundheitsförderung sein (PHN - Betriebskantine). Durch gezielte Aktionswochen können Verbraucher auf wichtige Aspekte beim Essen hingeleitet werden; dies kann nicht nur die Gesundheit betreffen, sondern auch andere Aspekte, wie Regionalität und Nachhaltigkeit. Der Verlust an Tisch- und damit Lebenskultur ruft Gegenbewegungen hervor. Zwar schaffen Systemgastronomen mit der Standardisierung ein Gefühl der Vertrautheit und Orientierung – der Weltburger findet sein Global-Home bei fast burgerlichem Essen an jedem Ort des Globus. Dieser Verlust der regionalen Eigenarten und Identitäten kann auch Originalität und Authentizität gegegnet werden. Markenzeichen für dies ist Slow Food (www.slowfood.de ) und die ökologisch-oriente Geimeinschaftsverpflegung (z:B. Biocatering Hoppe)

Weitere Informationen:

2010 Stabiler Gastronomie-Markt in Deutschland (Pressemeldung; NDP-Group; NDP-Homepage)

OLT218_13321 / OLT218_1435 (Stand - 2001)

ZMP 2007

 Kap. 5 im Österreichischer Ernährungsbericht 2008 

Außerhaus-Verpflegung in Österreich - Diplomarbeit - C.Holzinger - Diplomarbeit - Inst.f.Ernährungsw. Wien, 2009

Referat Gemeinschaftsverpflegung der DGE

Ökologischer Großküchen-Service (Rainer Roehl); (link) Franfurt(M - (alt: www.oegs.de)


Kampagne - "Bio.Mir zuliebe" - http://www.bio-mirzuliebe.de/kampagne  (nicht mehr gültiger link)   -   http://www.naturaufdemteller.de/

FSA fordert Ernährungsindustrie auf April 2010-(Infos)  (Presse Healthy Pub-Meldung) kleinere Portionen; (kleinere Limonaden-Dosen; Snack-Packungen usw. Salzreduktion (Studie Verständnis Salz-Kennzeichnung in der Bevölkerung) (Presse-Info) Fettgehalt-Reduktion  weniger Zuckerzusätze

Fachzeitschriften - wie "gv-praxis" - link: www.cafe-future.net /

Gastromie-Link-Liste

Informationen zum Gastronomiemarkt Österreichs
www.gastro-obsearcher.com  - Gasto Obsearcher -(2007)  -  (Tabelle)

Taunus BKK - Projektbericht

Ambiente in Gaststätten - Promotion Seemüller