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Konrad, Bernd (bs, ss, sax, cls, comp, ld), * 20.7.1948 Dammfleth. »Ich versuche nicht nur ein Stück zu schreiben, bei dem hier das Orchester spielt und dort mal die Jazzgruppe improvisiert, sondern Projekte, in denen beides tatsächlich zusammenkommt«, erklärt Bernd Konrad die Zielsetzung seiner zumeist ausgedehnten Kompositionen wie z.B. »Marilyn – Musik zu keinem Film« oder »3 Versuche, einem Traum die Wahrheit zu verschweigen«, über die Lauren Newton bewundernd bemerkt hat: »Er verwendet wenig thematisches Material und macht damit mehr als andere, die sehr viel Themenmaterial benutzen.« In der modernen Konzertmusik hat er mit Komponisten wie Mauricio Kagel, Pierre Boulez und Vinko Globokar gearbeitet. Als Instrumentalist setzt Bernd Konrad häufig die von ihm perfekt beherrschte Zirkularatmung ein – beispielsweise in der Soloimprovisation »Traumtänzer« (1980), bei der er das Saxophon in einen aufgeklappten Flügel hält – und gelangt auf diese Weise zu extrem langen, weit geschwungenen Melodiebögen, die er dynamisch fein abschattiert. »Er beschreitet neue Wege«, bestätigt Hans Koller, »er kennt die Tradition, beruft sich darauf und ist trotzdem schon zwanzig Jahre weiter.« Zu seiner Herkunft und Instrumentenwahl erläutert Konrad: »Ich habe am Anfang John Coltrane-mäßig gearbeitet, wie mir auch immer wieder vorgehalten wurde. Dann klang meine Spielart nach Gato Barbieri oder so zwischen den beiden. Das ging einfach nicht. Ich habe das Tenor dann beiseite gelegt, habe Sopransaxophon und Bassklarinette geblasen, und dann kam das Bariton- und Altsaxophon. Ich habe jetzt alle Saxophone durch und glaube, das Bariton ist mein Hauptinstrument.«

Bernd Konrad hatte vom achten Lebensjahr an bei einem Onkel Geigen-, später auch Saxophonunterricht. An der Musikhochschule Stuttgart studierte er 1968 bis 1974 Klarinette, 1974 bis 1979 Elektronische Musik und – u.a. bei Erhard Karkoschka – Komposition. Er wurde danach als Komponist für Hörspiel und Film tätig, arbeitete parallel für Erwin Lehn, das Philharmonische Orchester und das Radio- Sinfonie-Orchester Stuttgart und spielte in verschiedenartigster musikalischer Umgebung, häufig in Gruppen mit Theo Jörgensmann (»Clarinet Contrast« u.a.) und Frederic Rabold, mit Steve Lacy, Perry Robinson, Hans Koller, Lee Konitz, Wolfgang Dauner, Manfred Schoof, Bob Degen, Allan Praskin, Heinz Sauer, Warne Marsh, Rashied Ali, Herbert Joos, Sam Rivers und Michael Sell. Bernd Konrad, der seit 1978 einen Lehrauftrag und seit 1986 eine Professur an der Musikhochschule Stuttgart innehat, wirkte 1979 am Clarinet Summit im Rahmen des Baden-Badener New Jazz Meeting mit. 1980 nahm er seine viel beachtete LP »Traumtänzer« auf und wirkte als deutscher Vertreter beim EBU-Konzert in Oslo mit. Es folgten als weitere Höhepunkte u.a. die Auszeichnung mit dem ersten Jazzpreis des Südwestfunks (1981), Auftritte in Tokio, Moskau (1982), Südamerika (1984), Afrika (1985) und den USA (1984/85), Preise der American Friendship Cooperation (1983) und des Pan Musik Festivals Tokio (1982) sowie ein Kompositionsauftrag für das New York Philharmonic Orchestra. Bernd Konrad arbeitete Mitte der achtziger Jahre außer mit eigener Gruppe auch oft mit Hans Koller, Lauren Newton, Warne Marsh und den Second & Third Generation German All Stars, mit David Friedman (LP »Vibraphony, Saxomanie«, 1984) und dem Landesjugend-Jazzorchester, das Bernd Konrad seit 1981 mit großem Erfolg leitet, zunächst zusammen mit Jiggs Whigham, dann mit Paul Schwarz. Mit diesem Orchester, das u.a. auf der CD »Lantom« dokumentiert ist, gastierte er in Russland, Spanien, Frankreich, Afrika und wiederholt in Südostasien, so auch 1998 in Singapur und Kambodscha bzw. 2002 für das Goethe-Institut in Kuala Lumpur. Zur Bilanz des Ausnahmemusikers zählen auch ca. 160 Hörspiel-, Film- und Bühnenmusiken, darunter die 1978 in Venedig zur besten Filmmusik gekürte Arbeit für »Der Ruf«, Auftragsarbeiten für zahlreiche Orchester, darunter »Infernal Dance« für die Strawinsky-Tage in Baden-Baden und »To Hear A World In A Grain Of Sand« für die Donaueschinger Musiktage, und zahlreiche Publikationen sowie Tourneen in Europa, Afrika und Japan. Zu nennen sind ferner Plattenaufnahmen mit Herbert Joos, Theo Jörgensmann, Frederic Rabold, Michael Sell, Jim Coleman, Ralf Illenberger, Mathias Frey, Paul Schwarz (»Featuring Bernd Konrad«), Andrew Cyrille (»World Music Meeting«, 1986) und unter eigenem Namen »Si tu me olvidas« (1987) mit Oktett sowie »Marilyn-Musik zu keinem Film« mit Sinfonie-Orchester, Big Band und Solisten wie Lauren Newton, Herbert Joos und Kenny Wheeler. Zusammen mit Herbert Joos leitet er die wechselnd dimensionierte Formation Südpool Jazz Project, die mit den Einspielungen »Time Is A Tango/Yokohama Suite« (1990), »Moon Dance Suite« (1991), »Concepts« (1992) und »Quartet« (1994) hervorgetreten ist. Unter seinen weiteren Einspielungen sind »Sali« (1985), ein Duo-Projekt mit Paul Schwarz an der Kirchenorgel, und »Marilyn/The Whale« besonders erwähnenswert. 2001 erhielt Bernd Konrad das Bundesverdienstkreuz.

[Konrad, Bernd. DB Sonderband: Jazz-Lexikon, S. 2995

(vgl. JL Bd. 1, S. 697 ff.)]

J.Wölfer: Jazz in Deutschland. Das Lexikon, Hannibal, 2008 S. 187