TYPO3 Musterprojekt - Friday, 29. March 2024
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Stuttgart - Heimliche Hauptstadt des Jazz ?

,,...mein Gott, wer hat sich denn das schon wieder ausgedacht ?.." fragte ich mich beim Lesen dieser Schlagzeile in einem Buch über Stuttgart und kam ins Grübeln - schließlich wohne ich seit über dreißig Jahren in der Schwabenmetropole und habe mir diese gewisse gesunde, schwäbische Skepsis bereits zu Eigen gemacht.

Klar, hier gibt’s einige gute Musiker und Spielstätten - das weiß man - aber Stuttgart ist eben nicht New York oder Paris! Nein - Stuttgart bleibt die Stadt zwischen Wein und Reben - oder höchstens noch des Balletts, der Oper, des Theaters oder der Neuen Musik!

Der Jazz scheint diesen Traditionen immer noch nicht anzugehören. Darüber sinnierend fallen mir die Clubs ein, die es hier gegeben hat - allen voran der "Schlüssel", eine Insidervereinigung, den einst Impresario Dieter Zimmerle nach dem Krieg gründete. In den 60er Jahren der "Atlantic-Jazz-Club" (ich besaß Mitgliedsausweis Nr. 214), in dem sich noch Louis Armstrong oder McCoy Tyner nach ihren Konzerten zu nächtlichen Sessions mit Stuttgarter Musikerkollegen trafen.

Oder das spätere "AT-Musikpodium" von Pit Haug, die Clubs des Uli Braunschweiger. Dann war da noch der "Hahnenhof", der "Bruddler", das "Sudhaus" und die "Röhre". Wichtig auch die Konzertreihen im Jugendhaus "Mitte", die Avant-Garde-Reihe der ,,musica nova" in der LG-Kasse, die monatlichen "Treffpunkt Jazz-Konzerte" vom SDR in der Liederhalle, die Jazz-Matinéen von Erwin Lehn und seiner SDR Big Band, die von Wolfram Röhrig initiierten "Tage der leichten Musik" und...und...und...

Und heute ? An den Kindern und dem Kommen und Gehen der Jazzclubs merkt man das Alter - heißt es ja so treffend - und das ist gut so. Die Insiderideen der 50er und 60er Jahre hatten sich überholt - die Mitgliedsausweise eingestampft...

Die "Dixieland Hall" - mit seiner Oldtimer- und Mainstreamszene - getragen von der "Jazz-Society" ist immer noch Anziehungspunkt für interessiertes Publikum. Und natürlich "Roger's Kiste" - ein kleiner, feiner Club, der sich im Laufe der Jahre zu einem wahren Eldorado des Stuttgarter Jazz gemausert hat. Dazu die IG-Jazz mit ihren jährlichen Jazztagen, die Präsentationen von "musician's network", die Konzerte bei "Buch Julius", das Südpool-Festival im Rotebühlzentrum, das Festival im Theaterhaus und schließlich die "Jazz-0pen", die mit großen Events und sattem Etat die Palette nach oben abrundet.

Für das Stuttgarter Publikum eine durchwegs gute Ausgangslage! Und während die Stars sich vornehmlich vor vollen Rängen auf der Bühne präsentieren, noch ein Blick auf den ,,normalen" Stuttgarter Jazzer und ein kleiner Seitenhieb auf die Politik des neu fusionierten SWR - denn hier beginnt der Begriff ,,heimlich" aus oberster Zeile zu wirken: wo sind die Mittel für junge Musiker ? wo die längst fällige Aufstockung für die hervorragend besetzte SWR Big Band ? wo der Ersatz für die wegweisende Radio-Jazz-Group ? und wo die verlorengegangene Sendezeit für die Hörer des Sendegebiets ?!

Mehr als 100 CD's jährlich bringen Stuttgarter Musiker auf den Markt. Und spätestens nach Einführung des Studiengangs ,,Jazz und Popularmusik" Mitte der 80er Jahre an der Musikhochschule ist ein Schub durch die Stuttgarter Metropole gekommen.

Vielfältig und breit gefächert sind die Arbeitsgebiete der Profis heute von denen jeder seine eigene Formation hat und als Stuttgarter Gruppe nach außen wirkt.

Diese Fülle präsenter zu machen und neuen Talenten zu helfen - das ist unsere Aufgabe !

Bernd Konrad

Professor für Jazz und Popularmusik